Abstract: Das österreichische Bundesheer hat laut Verfassung den Auftrag, die Bevölkerung und die Souveränität Österreichs zu schützen und, wenn nötig, auch zu verteidigen. Dieser Auftrag endet nicht wenige Meter über dem Boden, sondern beinhaltet natürlich auch den Luftraum. Für die Agenden „Luftraum“ ist zurzeit der Verband Luftraumüberwachung zuständig. Dieser gliedert sich in zwei Bereiche: (a) die aktive Komponente mit dem System „Typhoon“ und (b) die passive Komponente, hauptsächlich das Radarüberwachungs-System „Goldhaube“. Um die Auftragserfüllung der Luftraumüberwachung weiterhin gewährleisten zu können, müssen dringend Fähigkeitslücken im Wirkungsverbund eines Integrierten Luftverteidigungssystems (IADS) beseitigt werden.
Problemdarstellung: Wie kann die österreichische Luftraumüberwachung mit den aktuellen Fähigkeitslücken weiterhin ihren Auftrag erfüllen?
Bottom-line-up-front: Der Verband Luftraumüberwachung, Bestandteil der österreichischen Luftstreitkräfte, überwacht den österreichischen Luftraum rund um die Uhr. Auftrag ist die Wahrung der Lufthoheit über dem österreichischen Staatsgebiet zum Schutz der Bevölkerung und zur Erhaltung der Souveränität der Republik Österreich. Um diesen Auftrag weiterhin erfüllen zu können, müssen Fähigkeitslücken geschlossen werden.
Was nun?: Unbestritten, und von einem gesamtstaatlichen Interesse Österreichs, ist die sichere Nutzung des Luft- und Weltraumes. Von Seiten der Bundesregierung gibt es ein klares Bekenntnis zum Schutz des österreichischen Luftraumes und der Luftraumüberwachung durch das Österreichische Bundesheer. Dies beinhaltet ihre Sicherstellung durch eine adäquate, kosteneffiziente Lösung.
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Vernachlässigte militärische Fähigkeiten
Nach der Krim-Invasion 2014 und dem neuerlichen, völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in die Ukraine vor gut einem Jahr herrscht erneut Krieg in Europa. Der Krieg in der Ukraine hat eindeutig den Blick auf die Erkenntnis des vorhandenen Defizits bei der umfassenden österreichischen Verteidigungsfähigkeit, insbesondere aber Defizite bei der Verteidigungsfähigkeit des Luftraumes, geöffnet. Es handelt sich dabei um ein sicherheitspolitisches Defizit, welches durch politische Unterlassungshandlungen geschaffen wurde.[1] Dieses besteht im Grunde schon seit der Wiedererlangung der österreichischen Souveränität im Jahre 1955. Geschlossen wurde die bestehende Lücke nie, obgleich es Versuche gab. Dazu zählte beispielsweise die Verwendung des Systems SAAB 105 OE zur Luftraumüberwachung.[2] Über Jahre wurden diesem Fluggerät die Rollen „Jagdbomber“ und „Abfangjäger“ zugeschrieben, obwohl es diese Funktionen nur in aller Bescheidenheit ausüben konnte.[3] Diese „angedichteten“ Fähigkeiten hatte die SAAB 105 OE niemals besessen, da sie als Schul- und Jet-Trainingsflugzeug konzipiert war.
Der Krieg in der Ukraine hat eindeutig den Blick auf die Erkenntnis des vorhandenen Defizits bei der umfassenden österreichischen Verteidigungsfähigkeit, insbesondere aber Defizite bei der Verteidigungsfähigkeit des Luftraumes, geöffnet.
Eine der ersten Reaktionen der österreichischen Bundesregierung auf den erneuten Angriff Russlands auf die Ukraine war die Bildung eines Krisenstabes. Dieser Krisenstab brachte auch die Krisensituation bei der Verteidigungsfähigkeit Österreichs schonungslos ans Licht.[4]
Als Maßnahme zur Verbesserung dieser Situation wurde neben der Erhöhung des Wehrbudgets ein Sonderinvest zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit in Milliardenhöhe, beides in Etappen über mehrere Jahre, angekündigt. Das Einlösen der Option auf 18 weitere AW169M-Hubschrauber ist, wie auch die beschlossene Modernisierung des „Panzerpaketes“, Kampfpanzer Leopard 2A4 und Ulan-Schützenpanzer, durchaus als erster und notwendiger Schritt in eine neue Richtung anzusehen. Gleiches gilt für die Ankündigung Österreichs, 15 Eurofighter (EFT) Typhoon auf den zeitgemäßen Stand der Technik (Eigenschutz, Infrarot-Erkennung und Bewaffnung) aufzurüsten. Die angedachte Aufstockung der Flotte um drei Doppelsitzer ist ebenfalls als Anzeichen für erkannte Defizite zu werten. Wie es zukünftig mit der Luftraumüberwachung und der Luftverteidigung – zwei der drei taktischen Verfahren in der dritten Dimension[5] – weitergeht, muss auch in naher Zukunft beurteilt werden.
Die österreichische Luftraumüberwachung und ihre drei Funktionsstufen
Die österreichische Luftraumüberwachung wird vom Verband Luftraumüberwachung geführt. Er gliedert sich in die aktive Komponente, welche aktuell vom Kampfflugzeug-System EFT Typhoon bedient wird, und in die passive Komponente, hauptsächlich das ortsgebundene Radar-System „Goldhaube“, welches durch mobile Tieffliegererfassungs-Radaranlagen, die in der Zeit des Jugoslawien-Kriegs 1991–1998 angeschafft wurden, ergänzt wird.
Die österreichische Luftraumüberwachung erfüllt ihren Auftrag dabei in drei potenziellen Stufen:
- Stufe 1 – die Luftraumüberwachung ist die permanente luftpolizeiliche Aufgabe;
- Stufe 2 – die Luftraumsicherung dient der Abwehr von Gefahren aus der Luft mit militärischen Mitteln und zur Sicherung von sensiblen Einzelereignissen, wie Konferenzen und Großveranstaltungen;[6]
- Stufe 3 – die Luftraumverteidigungumfasst defensive und offensive Maßnahmen gegen feindliche Streitkräfte.
Der neuerliche und völkerrechtswidrige russische Angriff auf die Ukraine hat quasi über Nacht Europa – und damit auch Österreich – unsanft aus dem „Friedensschlaf“ aufschrecken lassen.
Der neuerliche und völkerrechtswidrige russische Angriff auf die Ukraine hat quasi über Nacht Europa – und damit auch Österreich – unsanft aus dem „Friedensschlaf“ aufschrecken lassen.
Der Zustand der aktiven österreichischen Luftraumüberwachung zu Beginn der 2000er Dekade
Ein bemerkenswertes Dokumentationsergebnis über die damalige aktuelle Situation, welches Bundesheer-intern zur Luftraumüberwachung erhoben und dem Bundesrechnungshof übermittelt wurde, förderte folgende Zahlen und Fakten zutage:
- Mit 1. Jänner 2002 verfügte die österreichische Luftraumüberwachung als Aktiv-Komponente über 23 überschallflugfähige Kampfflugzeuge des Typs SAAB 35 OE „DRAKEN“ und über 29 Unterschall-Flugzeuge der Type SAAB 105 OE;
- Im Zeitraum von 1998 bis 2001 wurde die Republik Österreich rund 1,8 Millionen Mal überflogen;
- Rund 55.000 dieser Überflüge waren militärischer Natur. Dabei kam es zu 914 Luftraumverletzungen und in 48 Fällen mussten Einsatzflüge zur Identifizierung von Flugzeugen geflogen werden.[7]
Nach Überprüfung kam der Bundesrechnungshof zu folgenden Bedarfsfeststellungen:
- für eine Luftraumüberwachung sind mindestens 24 Stück Kampfflugzeuge;
- für eine Luftraumsicherung sind mindestens 30 Stück Kampfflugzeugeund
- für eine Luftraumverteidigung sind mindestens 75+ Stück Kampfflugzeuge erforderlich.
Dieser Bedarf wurde vom Rechnungshof an die Bundesregierung übermittelt.[8]
Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass es zu einer rein quantitativen Beurteilung kam. Eine Konkretisierung auf eine bestimmte Type Kampfflugzeug beziehungsweise Fähigkeiten war darin nicht enthalten.
Der Zustand der aktiven Luftraumüberwachung – heute
Im März 2023, also rund 21 Jahre später, verfügt die Luftraumüberwachung nach den ehemals 52 Flugzeugen mit zweifelhaften Kampfwert heute über 15 EFT Typhoon mit ebenfalls limitiertem Kampfwert. Trotzdem wurden nunmehr Schritte zur Behebung dieses gefährlichen Defizits eingeleitet, so beispielsweise die Anschaffung von bis zu 18 Stück Unterschallflugzeuge und die Aufrüstung der 15 EFT Typhoon in den Bereichen Infrarot-Sensorik zur Identifikation, Selbstschutz für die Piloten, eine zeitgemäße Bewaffnung für den Bereich Luft-Luft wie auch für den Bereich Luft-Boden und die Aufstockung um drei doppelsitzige EFT Typhoon.
Im März 2023, also rund 21 Jahre später, verfügt die Luftraumüberwachung nach den ehemals 52 Flugzeugen mit zweifelhaften Kampfwert heute über 15 EFT Typhoon mit ebenfalls limitiertem Kampfwert.
Die neuen Unterschall-Flugzeuge sollten dabei die Eigenschaften der Eurofighter-Kompatibilität und der europäische Integrierbarkeit aufweisen, daher kann ihre zeitnah zu erwartende Anschaffung nur aus dem europäischen Markt erfolgen. Durch ihre Beschaffung wird einerseits die Fähigkeitenlücke, welche durch die Ausphasung der SAAB 105 OE mit Dezember 2020 entstanden ist, geschlossen. Andererseits kann durch diese zusätzlichen Flugzeuganschaffungen die Ausbildung der Typhoon-Piloten, welche ja durch den Wegfall der SAAB 105 OE größtenteils ins Ausland verlagert werden musste, wieder zurück nach Österreich geholt werden. Damit werden nicht nur Ausbildungskosten eingespart. Dies würde auch einen großen Vorteil für jeden Piloten und jede Pilotin mit sich bringen, da die Topographie Süditaliens, der derzeit überwiegende Ausbildungsort, eine gänzlich andere ist als die heimische.
Das günstigere Fliegen am Simulator kann die Grundvoraussetzungen des praktischen Fliegens ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Ebenso würde ein Mehr an fliegenden Plattformen ökonomisch dazu führen, dass der Flugbetrieb zukünftig günstiger bewerkstelligt werden könnte. Diese nun angekündigten Maßnahmen sind, im Hinblick auf den Rechnungshofbericht, als erster Schritt zu betrachten, dem jedoch weitere folgen müssen. Vor 20 Jahren war die allgemeine Sicherheitslage in Österreich und Europa eine andere als die kriegerische Lage im Heute. „Eine Krise ist eine unvorhergesehene Veränderung, das abrupte Ende einer gewohnten Lebensform.“[9]
Luftverteidigung als Grundvoraussetzung
Der Luftraum eines souveränen Staates muss geschützt und im Falle des Falles auch verteidigt werden. Ohne alternative Lösungsansätze, wie etwa einer gesamteuropäischen Luftraumverteidigung, ist jeder Staat für sich selbst, auch der internationalen Staatengemeinschaft gegenüber, gefordert. Es gibt im Großen und Ganzen jedoch zwei Möglichkeiten.
Die erste Möglichkeit ist, die Luftverteidigungsfähigkeit selbst sicherzustellen. Dies impliziert die Bereitstellung entsprechender finanzieller und materieller Mittel, um glaubhaft und am Puls der Zeit handlungsfähig zu sein. Die zweite Möglichkeit wäre die Bezahlung anderer Staaten für den Schutz und die Verteidigung unseres Luftraumes, so wie dies seit Jahren bei „Luftpolizeilichen Aufgaben“ der baltischen Staaten, in Island oder auch Slowenien geschieht. Im Gegensatz zum neutralen Österreich sind all jene Staaten jedoch NATO-Mitgliedstaaten. Dazu kommt noch das unkalkulierbare Risiko, wie es sich mit dieser „Leihvariante“ im Falle einer notwendigen Luftraumverteidigung tatsächlich verhält. Eine Garantie für die Luftraumverteidigung in diesem Falle gibt es wohl nicht. Auch der eventuelle Bündnisbeitritt zur NATO würde nichts an der Tatsache ändern, dass unser Luftraum geschützt und verteidigt werden muss. Für diese Option wäre jedoch mutmaßlich die Aufgabe unserer Neutralität notwendig.
Auch der eventuelle Bündnisbeitritt zur NATO würde nichts an der Tatsache ändern, dass unser Luftraum geschützt und verteidigt werden muss.
Kurskorrektur: Priorität 1 – Militärische Landesverteidigung
Wie von der Bundesregierung in der jüngeren Vergangenheit medial verlautbart, besinnt man sich unter den Eindrücken der weltweiten und europäischen Ereignisse der letzten Zeit wieder verstärkt auf die Kernaufgabe des Österreichischen Bundesheeres: die militärische Landesverteidigung! Um eine zukünftige klare Definierung betreffend des Inhalts und der Interpretation der Neutralität wird man dabei nicht umhinkommen, denn Fakt ist: Der vorbehaltlose Beitritt Österreichs zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union kann durchaus als Veränderungdes ursprünglichen Sinnes der Neutralität bewertet werden.[10]
Österreichs Neutralität ist demnach durch zwei Faktoren beeinflusst, nämlich a) den Artikel 42 des EU-Vertrages, welcher besagt, dass im Falle eines Angriffs auf einen Mitgliedstaat der Europäischen Union die anderen Mitgliedstaaten beistehen und b) die sich ändernde geopolitische Lage, nach der die Bedrohungen für Österreich in den letzten Jahren exponentiell anstiegen.[11] Noch dazu ist der soziale Frieden in Österreich, aufgrund der Krisen der nahen Vergangenheit, den Entwicklungen daraus und des nunmehrigen Krieges in Europa, gefährdet. Auch wenn die Neutralität weiterhin ihren Wert – gerade als außenpolitisches Instrument – hat, so bedeutet das gleichzeitig aber nicht, dass man wertneutral in einer Union der Werte sein kann.[12]
Österreich muss daher auch zukünftig in der Lage sein, eigenständig zu handeln. Ein wesentlicher Faktor dazu wird die angepasste strategische Autonomie sein, um das aktuelle Defizit fehlender europäischer Verteidigungskräfte ausgleichen zu können. Die zukünftige Entwicklung des Bundesheeres kann dabei aus einer Friedensperspektive oder aus einer Einsatzperspektive betrachtet werden. Setzt man auf Wehrhaftigkeit, wie dies als Vorbild bei der neutralen Schweiz der Fall ist, so ist die Beseitigung der Defizite durch Aufstockung der Streitkräfte in allen Domänen sowie ihre Modernisierung ein entscheidender Faktor.
Österreich muss daher auch zukünftig in der Lage sein, eigenständig zu handeln.
Eine fähige Streitkraft dient der konventionellen Abschreckung. Sicherheit und Schutz sind dabei mit Kosten verbunden. Basierend auf dem Bericht des Rechnungshofes aus dem Jahre 2002 mit der enthaltenen Feststellung, dass für eine effiziente Luftraumüberwachung mindestens 24 StückKampfflugzeuge, für eine adäquate Luftraumsicherung mindestens 30 Stück Kampfflugzeuge und für eineentsprechendeLuftraumverteidigung 75+ Stück Kampfflugzeuge erforderlich wären, fällt die Feststellung nicht schwer, dass das Bundesheer trotz der angekündigten Beschaffungen noch weit von dieser Zieldefinition entfernt ist.
Ein mögliches Mindestportfolio der Luftstreitkräfte
Hubschrauber
Neben dem bisher erfolgten Ankauf von 36 AW169M-Hubschraubern, deren Zulauf bereits eingesetzt hat, werden die nunmehr 55 Jahre im Einsatz stehenden Alouette III-Hubschrauber, wie auch die seit 1976 im Einsatz befindlichen Bell OH- 58B „Kiowa“, ersetzt. Ebenso werden die neun S-70 „Black Hawk“-Hubschrauber um weitere drei Stück vom selben Typ aufgestockt. Eine beim Kauf der neun S-70 „Black Hawk“-Hubschrauber angebotene Option zum Ankauf weiterer 3 „Black Hawk“ hatte man politisch vor Jahren verstreichen lassen.
Transportflugzeuge
Die drei Transportflugzeuge vom Typ Lockheed-Martin C-130K „Hercules“ (Baujahre 1967/68) sollen durch – je nach Type – vier bis fünf Transportflugzeuge ersetzt werden. Die planmäßige Abstellung wäre um 2029 zu erwarten. 2025 wären allerdings große Wartungsarbeiten durchzuführen, mit Kosten zwischen 50–60 Mio. Euro. Hier stehen mit der Lockheed-Martin C-130J „Super Hercules“ (5 Stück) und der brasilianischen EMBRAER C-390 „Millennium“ (4 Stück, weil größere Ladekapazität als die „Hercules“) zwei Typen zur potenziellen Nachfolge bereit. Die öffentliche Präsentation der EMBRAER C-390 „Millennium“ erfolgte bei der AIRPOWER 22.
Luftraumüberwachung
Mit den vorhandenen 15 EFT Typhoon ist eine permanente, durchhaltefähige Luftraumüberwachung ein schier unmögliches Unterfangen, da man nur „Bereitschaftszeiten“ produzieren kann, mit denen man gerade rund 80 % der Zivilluftfahrt abdecken kann. Die bereits erfolgte Information an die Bevölkerung, bis zu 18 Unterschallflugzeuge anzuschaffen, ist ein absolut richtiger und wichtiger erster Schritt zur Fähigkeitslückenschließung, welche durch die Ausphasung der SAAB 105 OE entstanden ist. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die Stückzahl 18 wiederum zu gering ausfallen könnte, denn im Grunde sind dazu 24 Unterschallflugzeuge als Mindesterfordernis anzusehen.[13]
Die notwendige Anzahl von 24 Stück liegt darin begründet, dass – ausgehend von einem Klarstand von 75 % und der Abstellung von 4–6 Flugzeugen für den Ausbildungsbetrieb – so wenigstens eine Staffel (12+) für den Einsatzbetrieb verfügbar bleibt. Rechnet man nun auch die EFT Typhoon dazu, so läge eine 24-stündige Bereitschaft gerade noch im Bereich des Machbaren. Diese Angaben sind für eine permanente aktive Luftraumüberwachung (24/7/365) anwendbar. Dieser Trend wird von anderen Luftstreitkräften Europas bereits umgesetzt, beziehungsweise wird an deren Umsetzung gearbeitet. Folgt man nun noch dem erklärten politischen Willen, die EU militärisch zu stärken, indem man Kampfflugzeuge zu gemeinsamen Luftübungen abstellt, ist die Zahl 24 als absolute Mindeststückzahlerfordernis anzusehen!
Die notwendige Anzahl von 24 Stück liegt darin begründet, dass so wenigstens eine Staffel für den Einsatzbetrieb verfügbar bleibt.
Auch kann es sich bei der zu beschaffenden Type nur um bewaffnungsfähige, sogenannte „Advanced Jet-Trainer“ handeln. Bewaffnung und Ausrüstung sollte systemübergreifend mit dem EFT Typhoon möglich sein, denn dieser „Advanced Jet-Trainer“ muss den Eurofighter am unteren Ende des Leistungsspektrums ergänzen können. Dadurch ist wiederum gewährleistet, dass der Flugbetrieb, gesamtheitlich betrachtet, günstiger wird. Der Kostenunterschied ist bei den Flugstunden zu suchen. 5.000 Flugstunden sind mit dem Jet-Trainer pro Jahr wesentlich billiger als 1.500 Flugstunden pro Jahr mit dem EFT Typhoon. Es muss auch der Umstand beachtet werden, dass selbst der schnellste Jet-Trainer nicht in der Lage sein wird, an die Höchstgeschwindigkeit der schnellsten Verkehrsmaschinen bei Jetstream in Reiseflughöhe heranzukommen. Für einen Unterschalljet ist es ebenfalls unmöglich, einem Überschall-Kampfflugzeug nahezukommen. Dieses Beispiel wurde am 28. Juni 1991 von Oberst Friedrich Sparrer bestätigt, als eine MiG21 ihm mit seiner SAAB 105 OE über Graz sprichwörtlich davongeflogen war.[14]
Die Fliegerabwehr
Aufgrund der immensen Zunahme der Gefährdungen aus der Luft wird kein Weg an einer kompletten Modernisierung der Fliegerabwehrtruppe vorbeiführen. Eine zukünftige Landesverteidigung ohne wirksame Kurz- und Mittelstrecken-Flugabwehrsysteme ist so gut wie auszuschließen. Bereits um die 30 Länder, unter anderem aus der Sahelzone, Saudi-Arabien, Iran, Usbekistan, Russland bis hin zu Grönland, haben solche Systeme in Verwendung. Bei derzeitigen Einsatzradien von über 4.000 Kilometern liegt Österreich in der Reichweite vieler Nationen. Zukünftige Weiterentwicklungen im Bereich der Raketentechnologie in Richtung Stealth, Überschall und Jetantrieb sind bereits absehbar und zum Teil auch umgesetzt.
Zusammenfassung
Der Auftrag zur Wahrung der Lufthoheit über österreichischem Staatsgebiet zum Schutz der österreichischen Bevölkerung und zur Erhaltung der Souveränität der Republik Österreich kann derzeit im aktuell angeordneten Umfang noch erfüllt werden. Bei weiterer Eskalation des Krieges in der Ukraine sowie einer absehbaren weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Europa könnten sich jedoch zusätzliche Sicherheitslücken offenbaren. Deshalb ist es von vitaler Bedeutung, dass die von der Bundesregierung angekündigten Beschaffungsmaßnahmen für die Luftstreitkräfte auch tatsächlich und so rasch als möglich anlaufen. Damit werden einerseits Defizite beseitigt und andererseits bestehende Fähigkeitslücken geschlossen. Dies hat auch die Anhebung der Verteidigungsfähigkeit gegen Bedrohungen aus der Luft zur Folge. Die Schließung der Fähigkeitslücken und Beseitigung der Defizite der aktiven und passiven Luftraumüberwachung durch eine adäquate Lösung ist daher konsequent weiterzuverfolgen.
Bei weiterer Eskalation des Krieges in der Ukraine sowie einer absehbaren weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Europa könnten sich jedoch zusätzliche Sicherheitslücken offenbaren.
Ein breiter demokratischer Diskurs, basierend auf den sich rapide ändernden geopolitischen Einflüssen in Bezug auf Österreichs sicherheitspolitische Ausrichtung, ist dabei jedoch die Grundvoraussetzung. Das Volk, also der Souverän, kann nur mittragen, was verstanden wird. Vieles jedoch wird nicht mehr verstanden, da der Faktor Wehrpolitik in der Vergangenheit – so wie die Verteidigungsfähigkeit in allen Dimensionen – vernachlässigt wurde.
Eduard Kummer, Vizeleutnant in Ruhe, nach 38 Jahren Dienstzeit zuletzt bei Kommando Luftraumüberwachung nun in der Reserve. Teilnahme(n) an AUTHUM-ALBA, DÄDALUS und AIRPOWER. Projekt-Koordinator: Russische MiG29 gegen Schuldenerlass: DRAKEN-Nachfolge in Kärnten. Projekt-Koordinator: RescEU 7 – Wasserlöschflugzeuge für Österreich aktuell. Eigentümer und Chefredakteur Alpen-Donau-Adria Luftwaffe – Luftfahrtmagazin ada-aviation.eu. Bei den in diesem Artikel vertretenen Ansichten handelt es sich um die des Autors.
[1] “Der Offizier,“ Ausgabe 02/22, 24-26.
[2]P. Huber, “Abschied von der Saab 105: It was the „Sound of Freedom“!,“ Dezember 11, 2020, zuletzt abgerufen März 24, 2023, https://www.austrianwings.info/2020/12/abschied-von-der-saab-105-it-was-the-sound-of-freedom/.
[3] Idem.
[4]Fabian Schmid, “Welche Krisenstäbe und Dienste sich in Österreich um die Ukraine-Krise kümmern,“ Der Standard, Februar 24, 2022, zuletzt abgerufen März 24, 2023, https://www.derstandard.at/story/2000133605034/welche-krisenstaebe-und-dienste-sich-in-oesterreich-um-die-ukraine.
[5] Österreichisches Bundesheer, „Militärstrategisches Konzept 2017,“ GZ. S92000/183-GStb/2017, 20.
[6] Ibid., 18.
[7] Martin Rosenkranz, “Geht der Dornröschenschlaf des Eurofighters zu Ende? 1-6,“ Austrian Wings, Mai 28, 2022, zuletzt abgerufen März 24, 2023, https://www.austrianwings.info/2022/05/geht-der-dornroeschenschlaf-des-eurofighters-zu-ende/.
[8] Rechnungshof der Republik Österreich, “Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes,“ GZ 860.032/002-E1/05 (Wien, 2005), 22-24.
[9] Konrad Paul Liesmann, “Grüner Wandel,“ Wiener Zeitung, März 12, 2023, https://www.wienerzeitung.at/meinung/glossen/2181090-Gruener-Wandel.html.
[10] Bernhard Schulyok, “Österreichs Verständnis der Neutralität im Widerspruch zur GSVP der EU?,“ The Defence Horizon Journal, Mai 19, 2022, zuletzt abgerufen März 24, 2023,https://www.thedefencehorizon.org/post/%C3%B6sterreichs-verst%C3%A4ndnis-der-neutralit%C3%A4t-im-widerspruch-zur-gsvp-der-eu?lang=de.
[11] Idem.
[12] Idem.
[13] Martin Rosenkranz, “Geht der Dornröschenschlaf des Eurofighters zu Ende? 1-6,“ Austrian Wings, Mai 28, 2022, zuletzt abgerufen März 24, 2023, https://www.austrianwings.info/2022/05/geht-der-dornroeschenschlaf-des-eurofighters-zu-ende/.
[14] Martin Rosenkranz, “ Kommentar: Wieso unser Bundesheer mindestens 24 leistungsfähige Jet-Trainer braucht,“ Austrian Wings, März 19, 2022, zuletzt abgerufen März 24, 2023, https://www.austrianwings.info/2022/03/kommentar-wieso-unser-bundesheer-mindestens-24-leistungsfaehige-jet-trainer-braucht/.