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Herausforderungen in der Zukunft erfordern neue Wege

Abstract: Die Corona-Pandemie hat Schwachstellen in der Sicherstellung der Grundversorgung, der Sicherheit und der Lebensqualität in vielen Nationen aufgezeigt, so auch in Österreich. Westliche Demokratien haben einen Punkt erreicht, an dem sie sich anders organisieren müssen, um den komplexen Herausforderungen der Zukunft gesamtheitlich begegnen zu können. Ein „Freiwilliges Gesellschaftsjahr für alle“ bietet in Ergänzung zu verpflichtenden Systemen eine attraktive Möglichkeit, um den vielfältigen Aufgaben in Staat und Gesellschaft gerecht zu werden.

Bottom-line-up-front: Die EinwohnerInnen eines Landes bringen sich freiwillig und ihren Fähigkeiten entsprechend bei der Bewältigung der anstehenden Probleme ein und tragen dadurch zur Resilienz des Staates und der Gemeinschaft bei.

Problemdarstellung: Wie können zukünftige Krisen gelöst werden, wenn Staat und Gesellschaft anhand komplexer Herausforderungen mit diesem Gedanken („Militär ist immer und überall verfügbar“) zum Scheitern verurteilt sein werden?

Was nun?: Eine Evaluierung der Coronakrise sowie generell möglicher Herausforderungen in der Zukunft ergeben neue Handlungsfelder und Aufgaben. Ein ausgewogener Mix an beruflichen, verpflichteten und freiwilligen Handlungsträgern sollte Gesellschaft und Wirtschaft nur im unbedingt erforderlichen Umfang belasten, ohne das Funktionieren von Staat und Gesellschaft negativ zu beeinflussen, bei gleichzeitiger Weiterentwicklung der Wertegesellschaft und Erhöhung der Resilienz. Entsprechende Wertschätzung sowie zusätzlich Vergünstigungen für Freiwillige und deren Arbeitgeber fördern die Bereitschaft diesen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten.

Source: shutterstock.com/MichaelJayBerlin

Das Österreichische Bundesheer – Die strategische Reserve der Republik Österreich (?)

„So vielseitig gefordert war das Bundesheer noch nie“ lautete die Schlagzeile aus dem Munde der Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bereits Mitte März 2020.[1] Die wahrlich vielfältigen Aufgaben des ÖsterreichischenBundesheeres (ÖBH)seitdem können sich sehen lassen, die Bandbreite der Leistungen ist beeindruckend und wird auch 2021 in unterschiedlicher Ausprägung weiter anhalten. Die „Bilanz 2020“[2] des ÖBH gliedert sich in Leistungen im Rahmen von Assistenzeinsätzen für diverse Behörden, wie

  • Objekt- und Raumschutzaufgaben in Wien, insbesondere Bewachung von kritischer Infrastruktur (unter anderem Botschaften und andere Internationale Institutionen, Rot-Kreuz-Lager),
  • Überwachung von Grenzübergangsstellen sowie des Grenzraumes zum Zwecke der Durchführung von sicherheitspolizeilichen Grenzkontrollen sowie gesundheitsbehördliche Kontrollen im Vollzug des Epidemiegesetzes und darauf basierenden Verordnungen, insbesondere Temperaturmessungen, Dokumente überprüfen (Ein- und Ausreisereisemanagement an der Staatsgrenze und bei Quarantänegebieten),
  • Unterstützung der Behörden bei der Impfstofflogistik (Transport und Verteilung bis hin zur Betreibung von Impfstationen),
  • Desinfektion von kritischer Infrastruktur,
  • Stabsdienst in Krisen- und Einsatzstäben (Informationshotline),
  • Kontaktpersonennachverfolgung („Contact Tracing“),
  • Einlagerung und Verteilung von strategischem Vorrat an Schutzausrüstung und
  • Massentestung der Bevölkerung (Organisation, Leitung, Unterstützung von und in Teststraßen).

Im Gegensatz zum Assistenzeinsatz, der nicht unmittelbar durch den Bedarfsträger zu refundieren ist, kann das ÖBH auch zu bezahlten Unterstützungsleistungen auf Antrag herangezogen werden. Im Rahmen der Coronakrise waren beziehungsweise sind dies unter anderem:[3]

  • Sanitätsversorgung, wie Medical Evacuation-Einsätze (insbesondere Lufttransport von COVID-19-Patienten),
  • logistische Unterstützung durch Lagerung, Transport und Umschlag systemrelevanter Güter (Lade- und Entladetätigkeiten am Flughafen, Verteilung von Schutzmasken in den Landeshauptstädten, Verteilung von Desinfektionsmitteln an Schulen österreichweit),
  • Bereitstellung von Personal und Gerät für systemrelevante zivile Unternehmen (bei Pharmakonzernen, Lebensmittelgroßmärkten und für die POST AG),
  • Prüfung und Herstellung medizinischer Engpassprodukte (Schutzmasken und Desinfektionsmittel),
  • Personalunterstützung von Call Centern (BMEIA, AGES),
  • Prüfung und Wiederaufbereitung von Schutzmasken,
  • Fachberatungen zu COVID-19 Maßnahmen,
  • COVID-19 Testungen,
  • Qualitätsprüfung von COVID-19 Tests und
  • Beistellung von Heeresgut (zur Lagerung von Schutzmasken, Schutzausrüstung).

Am 7. Dezember 2020 wurde mit 8.018 Soldaten der Höchststand aller Soldaten des ÖBH, die im Rahmen der Coronakrise zeitgleich tätig waren, erreicht: Davon 1.244 im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz zur Überwachung der Staatsgrenze und Botschaften in Wien. Weitere 5.841 leisteten Assistenz für die Gesundheitsbehörden, insbesondere im Zuge der Massentestungen, 877 im Auslandseinsatz, 50 Soldaten im Schneeeinsatz in Osttirol (Katastrophenhilfe), 6 leisteten bezahlte Unterstützungsleistung.[4]

Nur 877 (12%) dieser Soldaten waren in einem „militärischen“ (Auslands-)Einsatz, 7.141 wurden in sogenannten subsidiären Aufgaben beziehungsweise bei Unterstützungsleistungen eingesetzt.

Die Tätigkeiten im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz, wo bewaffnet Aufgaben der Sicherheitsexekutive wahrgenommen werden, können inhaltlich noch am ehesten mit Kontrollaufgaben verglichen werden, die auch bei einem militärischen Einsatz wahrzunehmen wären. Desinfektionsaufgaben durch die ABC-Abwehrtruppe oder Leistungen von Heereslaboren werden genützt, weil verfügbar. Desinfektionen hingegen könnten, jedenfalls nach einer Einweisung, auch andere Firmen oder Institutionen wahrnehmen.

Interessant sind in dem Zusammenhang die Tätigkeiten von Soldaten bei diversen Telefondiensten, sei es bei Call Centern (BMEIA oder AGES) einerseits, oder beim „Telefon Contact Tracing“, wo letztlich hunderte Soldaten wochenlang eingesetzt waren – als Assistenz. Gerade dieser Umstand ist als Staatsbürger nicht nachvollziehbar, werden Soldaten doch von ihrer eigentlichen Tätigkeit – Vorbereitung für einen militärischen Einsatz – abgehalten, während noch dazu Arbeitslose hier zumindest vorübergehend sinnvoll beschäftigt hätten werden können. Dies zeigt beispielsweise die Vorreiterrolle der Stadt Wien, die bereits im September 2020 (!) jene Tätigkeit öffentlich für monatlich € 1.800 brutto ausgeschrieben hat.[5] Dem Ruf einer unabdingbaren strategischen Reserve konnte man jedenfalls gerecht werden. Mangels ausreichender Vorbereitungen der zuständigen Behörden selbst noch im Herbst 2020 blieb nichts anderes übrig, als weiterhin Soldaten für derartige subsidiäre Aufgaben bereitzuhalten.

„Wir haben heute allen Landeshauptleuten angeboten, dass wir die eingesetzten Kräfte in allen Bundesländern verdoppeln können, wenn die Behörden unsere Hilfe anfordern. Bisher konnten wir alle Anforderungen der Länder erfüllen, das wird auch in Zukunft so sein“.[6]

Dennoch sollte klar sein, dass die Assistenzleistung für die anfordernde Behörde letztlich auch nicht gratis erfolgt, denn hier erfolgt der Ausgleich im Staatshaushalt. Es bleibt jedoch ein Delta. So hat der österreichische Rechnungshof im Oktober 2020 festgestellt, dass dem Bundesheer durch Assistenzeinsätze und Unterstützungsleistungen im Grenzmanagement in den Jahren 2015 bis 2017 Kosten in der Höhe von rund 273 Millionen Euro entstanden sind. Budgetwirksam wurden jedoch nur 90,42 Millionen ersetzt. Das ÖBH hat den Differenzbetrag von 182,58 Millionen Euro als Fremdleistung für andere aus dem eigenen Heeresbudget bestritten.[7] Kosten, die natürlich in vielen Bereichen fehlen, unter anderem beim militärischen Fähigkeitenerhalt und -aufbau.

Unbestritten ist in einer derartigen Notlage die Bereitstellung der Ressourcen und der Expertise des Bundesheeres zur Überbrückung einer Anfangsphase. Obwohl, ganz überraschend ist die Pandemie nicht gekommen, unter anderem in der „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2020“ des Bundesheeres oder in der „Österreichischen Sicherheitsstrategie (ÖSS)“ 2013 angesprochen[8] und spätestens nach dem ersten Covid-19-Verdachtsfall in Österreich am 26.01.2020[9] wäre es hoch an der Zeit gewesen die Pandemiepläne zu überprüfen und zu aktualisieren inkl. der Beschaffung fehlender medizinischer Güter und Ausrüstung. Spätestens im Spätsommer 2020 wurde klar, dass zusätzliche Ressourcen zur Bewältigung der Coronakrise benötigt werden.[10] Versäumnisse in der staatlichen Krisenvorsorge vor März 2020 hätten sich nicht wiederholen dürfen.

Es gilt daher hinkünftig andere Wege zu finden, anfallende Aufgaben bereits vor einer Krise aufzubereiten und zu regeln, um dann insbesondere in einer Krise effektiv und effizient Lösungen parat zu haben.

Österreich – Assistenzeinsatz des ÖBH aus rechtlicher Sicht

Kräfte des ÖBH sind nur unter ganz restriktiven Gesetzesgrundlagen zur Assistenz heranzuziehen.

„Im Anforderungsfall hat die anfordernde Behörde nach § 2 Abs. 6 WG 2001 den Zweck, den voraussichtlichen Umfang, die voraussichtliche Dauer eines solchen Einsatzes und jene Umstände anzugeben, weshalb die zugrundeliegende Aufgabe nur unter Mitwirkung des Bundesheeres erfüllt werden kann. Erfolgt jedoch derartige Angaben nicht oder nur unzureichend, so stellt dieser Umstand (alleine noch) keinen Ablehnungsgrund für die Assistenzanforderung dar.“[11]

Des Weiteren wird aber ebenda konkret auf die „Ultima ratio“ verwiesen:

„Eine Hilfeleistung des Bundesheeres als ‚ultima ratio‘ ist nur dann zulässig, wenn die zuständige staatliche Einrichtung eine konkrete Aufgabe weder mit eigenen Mitteln noch unter Heranziehung kurzfristig aufgebotener Unterstützungen (etwa durch Abschluss entsprechender Verträge mit privaten Anbietern) bewältigen kann. Die für eine Assistenzanforderung in Betracht kommenden Behörden und Organe werden daher alle ihnen zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen haben, um diese Aufgabe ohne die Heranziehung des Bundesheeres zu erfüllen. Eine Anforderung militärischer Assistenzleistungen ohne unabdingbare Notwendigkeit (etwa unter ‚Günstigkeits- bzw. Bequemlichkeitsaspekten‘ oder unter dem Gesichtspunkt einer Kostenersparnis) ist daher rechtlich unzulässig. Dies betrifft insbesondere auch eine mögliche Assistenzanforderung ohne Maßnahmen einer unmittelbaren Gefahrenabwehr etwa bloß aus wirtschaftlichen Überlegungen (Kostenersparnis) oder zur Durchführung lediglich im allgemeinen Interesse gelegener Arbeiten.“[12]

Eine etwaige Verweigerung von Assistenzeinsätzen kommt in Betracht, wenn

„…ganz eindeutig und offensichtlich (im Sinne einer ‚Denkunmöglichkeit‘) zu erkennen ist, dass bei der Anforderung die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Diese Voraussetzung zu einer Verweigerung eines Assistenzeinsatzes liegt insbesondere dann vor, wenn eine Hilfeleistung des Bundesheeres nicht dem ‚ultima ratio Prinzip‘ unterliegt, und die zuständige staatliche Einrichtung eine konkrete Aufgabe auch mit eigenen Mitteln oder unter Heranziehung kurzfristig aufgebotener sonstiger Unterstützungen (etwa durch Abschluss privatrechtlicher Verträge) bewältigen kann.“[13]

In Anbetracht dieser rechtlichen Umstände, und noch dazu unter Berücksichtigung der Tatsache, dass vergangene Assistenzleistungen des Bundesheeres in einem erheblichen Umfang aus dem Verteidigungsetat bestritten wurden, erscheint es an der Zeit zukünftig andere gesamtheitliche Lösungsansätze zur Bewältigung komplexer Herausforderungen zu suchen.

25.000 Soldaten in Deutschland für die Pandemie bereitgehalten

Auch in Deutschland wurde der Corona-Einsatz tausender Soldaten zur Erledigung subsidiärer Aufgaben nicht unkritisch gesehen. Zunächst scheuten sich Einrichtungen Soldaten angesichts möglicher Kosten anzufordern. Erst nachdem der Bund ankündigte, die Kosten zu übernehmen, stiegen sprunghaft die Anforderungen. Letztlich zahlt auch hier die Bundeswehr den Einsatz für andere „selbst“.[14] Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis der Bundeswehr, gab zu bedenken: „Unser Hauptauftrag ist die äußere Sicherheit“. Es gebe „wirklich Handlungsbedarf in der Aufstellung für künftige zivile Krisen“.[15] Durch den wochenlangen Corona-Einsatz leide der Ausbildungs- und Übungsbetrieb, die Kern-Einsatzbereitschaft der Truppe gerate in Mitleidenschaft.[16]

„Unser Hauptauftrag ist die äußere Sicherheit“.

Generalleutnant Schelleis regte weiters an, „für künftige lange anhaltende Katastrophenlagen müsse ein `leistungsfähiger ziviler Pfeiler´ geschaffen werden, der über eine längere Zeit hinweg das Aufgabenspektrum erfüllen könne, das die Bundeswehr im Zuge der Amtshilfe übernommen hat. Das neu organisierte Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe könne das Steuerungszentrum für zivile Einsatzkräfte werden. […] Es gehe nicht nur darum, sich auf eine mögliche nächste Pandemie vorzubereiten, sondern auch auf andere ‚potentielle Risiken mit realer Eintrittswahrscheinlichkeit´, etwa auf einen koordinierten Cyberangriff mit großflächigen Stromausfällen. (…) Insgesamt gelte, dass jede Stärkung des Krisenmanagements und des Bevölkerungsschutzes auch zur Stärkung der Gesamtverteidigungsfähigkeit beitrage.“[17]

Jedenfalls bedarf es hinkünftig auch hier einer anderen Struktur, um der vielfältigen Aufgabenbewältigung komplexer Krisenszenarien entgegenzutreten. Eine zentrale Steuerung auf Bundesebene ist aber nicht nur erst im Anlassfall der Krise gefragt, sondern bereits bei vorausschauender Auswahl, beim Aufbau und der Bereitstellung der Ressourcen und deren Koordinierung zur Bedarfsdeckung im Anlassfall.

Dein Jahr für Deutschland“ – ein Lösungsansatz?

Mit April 2021 wurde neben dem „Freiwilligen Wehrdienst“ neu ein „Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz“ eingeführt. Die Entlohnung ist bei beiden mit 1.400 Euro netto gleich. Wesentlicher Unterschied beim Heimatschutz ist, dass nach einer siebenmonatigen militärischen Grundausbildung in der aktiven Dienstzeit, eine Ableistung der verbleibenden fünf Monate in Form von Reserveübungen und möglichen Einsätzen innerhalb der folgenden sechs Jahre ansteht. Kernaufgabe ist dann die heimatnahe Verwendung in einer Sicherungs- und Unterstützungskompanie. Die Frage bleibt, ob diese Doppelverwendung – entweder „militärischer“ Einsatz als Soldat bei Schutzaufgaben oder als „Helfer“ zur Unterstützung der Feuerwehren, des THW (Technisches Hilfswerk) und der anderen Hilfs- und Rettungsdienste – bei der Bewältigung von Naturkatstrophen oder Großschadenslagen, Pandemien und dergleichen, eventuell keinen Bedarfsträger zufriedenstellen kann. Für das Soldatenhandwerk vielleicht zu wenig Ausbildung, für die Funktion als Helfer wiederum zu viel Waffenausbildung. Beispielhaft ist jedenfalls das lokale Bereithalten von Kräften für umfassende Aufgaben, die nach einer Grundausbildung für einen bestimmten Zeitraum für Einsätze und Übungen zur Erhaltung der Einsatzbereitschaft verfügbar sind.

„Mein Dienst für Österreich“ – Ein Schritt in die richtige Richtung?

In Österreich, wo im Gegensatz zu Deutschland, die Wehrpflicht für männliche Staatsbürger gegeben ist, geht das ÖBH inzwischen einen anderen Weg. Seit Herbst 2020 besteht für Grundwehrdiener die Möglichkeit sich für mehrere, auch kombinierbare, Optionen zu entscheiden. Wer sich bedarfsorientiert für einen bis zu dreimonatigen Einsatz unmittelbar an den Grundwehrdienst anschließend meldet, erhält monatlich mehr als 3.000 Euro netto (Funktionsdienst). Dadurch muss kein Grundwehrdiener mehr in den Assistenzeinsatz. Diese schliessen ihre vollwertige Ausbildung mit der Feldverwendungsfähigkeit ab. Somit sind sie auch wieder für die Miliz verwendbar – wer sich dann für 30 Truppenübungstage (innert 10 Jahre abzuleisten) verpflichtet, erhält ab dem dritten Monat Grundwehrdienst 400 Euro (Milizbonus) im Monat zusätzlich zu seinem Sold (im Jahr 2021 Vergütung in der Höhe von 321,22 Euro). Wer sich darüber hinaus zur Milizkaderausbildung meldet, erhält zusätzlich monatlich 200 Euro.[18]

Sowohl der Heimatschutz in Deutschland als auch der Dienst für Österreich sind aber nur Teilbausteine des gesamtheitlichen Lösungsbedarfs der anstehenden komplexen Herausforderungen in der Zukunft unserer Gesellschaft.

Ungelöst bleiben nämlich strukturelle Lücken in anderen wesentlichen Gesellschaftsbereichen.

Freiwilliges Sozialjahr – ein mögliche Option?

Freiwillige soziale Tätigkeit ist tatsächlich eine wichtige Form des gesellschaftlichen Engagements und dient dem Gemeinwohl genauso wie der Persönlichkeitsentwicklung. Sie vereint Bildungs- und Berufsorientierungselemente und kann bis zum 27. Lebensjahr in der Dauer von maximal zwölf Monaten durchgehend geleistet werden. Als mögliche Einsatzstellen kommen in Betracht:

  • Sozial- und Behindertenhilfe,
  • Betreuung alter Menschen,
  • Betreuung von Drogenabhängigen,
  • Betreuung von Menschen, die von Gewalt betroffen sind,
  • Betreuung von Flüchtlingen und Vertriebenen,
  • Betreuung von Obdachlosen,
  • Kinderbetreuung,
  • Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Seniorinnen/Senioren,
  • Rettungswesen.[19]

Wesentlich dabei wäre die zentrale Übersicht und Steuerung der Bedarfsdeckung systemrelevanter Leistungsträger sowie eine Zusammenschau über das Personal, das nach Absolvierung des Sozialjahres Erfahrung in diesen Bereichen vorweisen kann.

Ist soziales Engagement als Beitrag zur Resilienz ausreichend?

Die Coronakrise hat markant zweierlei aufgezeigt: Einerseits die Bereitschaft sich gegenseitig zu helfen und andererseits, insbesondere mit Fortschreiten diverser Einschränkungen, eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft. “ Wenn das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit nicht mehr befriedigt würde, suchten sich die Menschen neue Sicherheiten, und eine davon sei die Flucht in die Radikalisierung,“ so Ernst-Dieter Lantermann, emeritierter Professor für Sozialpsychologie an der Universität Kassel.[20] Prävention und mehr Beachtung der JugendsozialarbeiterInnen, aber auch der Erwachsenenbildung, verlangt ebenso Teresa Reiter, Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien.[21]

Die Coronakrise habe darüber hinaus gezeigt, dass einige sogenannte systemrelevante Gesellschaftsbereiche an ihre Grenzen gestoßen sind, weil das Prinzip der Resilienz im Vorfeld nicht beachtet wurde und mangelhafte oder gar keine umfassende Sicherheitsvorsorge von Seiten der Gesellschaft beziehungsweise dem Staat getätigt wurde. So gab es Personalengpässe im Gesundheitswesen, der Kinder- und Altenbetreuung und in Verteilzentren.[22]

Resilienz bedeutet letztendlich die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit von Staat und Gesellschaft nach Krisen sowie trotz externer Störungen oder Teilausfällen nicht zu versagen. Zur Resilienz kann daher eine umfassende Sicherheitsvorsorge in vielen systemrelevanten Bereichen beitragen.

Die Wehrpflicht in Österreich betrifft nun aber nur männliche Staatsbürger, zum Wehrdienst selbst werden dann nur Taugliche einberufen. Alternativ können diese Zivildienst abzuleisten. Für Frauen gibt es die Möglichkeit freiwillig Wehrdienst zu leisten. Die Zahl Untauglicher steigt, und Frauen wird ein soziales Engagement nicht gerade schmackhaft gemacht. So liegt vielfach dringend benötigtes Personal und Expertise ungenützt brach. Es muss nämlich nicht jeder nach militärischen Kriterien tauglich sein, damit er Soldat werden kann, viele Tätigkeiten zum Gemeinwohl erfordern ganz andere Kriterien.

Durch geringe Bezahlung in allen angeführten Institutionen (Bundesheer, Zivildienst und Sozialjahr), fehlende zentrale Koordinierung und mangelhafter Informationsquellen zur gegenständlichen Thematik werden nicht alle potentiellen Interessierten/Infragekommenden angesprochen und keine effektive wie effiziente Ressourcenbereitstellung für einen etwaigen Anlassfall betrieben.

Was angesichts der unstrukturierten Bewältigung der Vielfalt an gesellschaftlicher Aufgaben benötigt wird, ist eine zentrale Koordinierungsstelle, die einerseits den Bedarf an Personal für systemrelevante, nicht gewinnorientierte Organisationen und Institutionen evident hält sowie die Auswahl, den Zulauf und die Reservenbildung organisiert und steuert. Insgesamt sind die Führungsstrukturen flach zu halten, dezentrale Umsetzung und zentrale Dateneinspeisung zu bevorzugen. Damit könnten bestehende Elemente bestmöglich eingebunden werden.

Freiwilliges Gesellschaftsjahr für alle – attraktive, alternative Ergänzung zur Wehrpflicht?

Alle gesellschaftspolitisch systemrelevanten Aufgaben können mittels „Freiwilligen Gesellschaftsjahr für alle“ abgedeckt werden. „Alle“ bedeutet alle Geschlechter; selbst geistig oder körperlich eingeschränkte oder besonders befähigte Personen können, je nach ihrem speziellen Leistungsvermögen, einen Beitrag für das Gemeinwohl leisten. Das Angebot gelte nicht nur für StaatsbürgerInnen, sondern auch für andere hier wohnhafte BürgerInnen, aus der EU, Migranten und Geflüchteten. Für Migranten besteht somit die Möglichkeit einen Beitrag zum Gemeinwesen zu leisten. Dies wiederum fördert die Integration. Einschränkungen beziehungsweise Selektionskriterien sind dann erst beim jeweiligen Betätigungsfeld gegeben, wenn Sprachkenntnisse, Sicherheitskriterien, Fitness und dergleichen schlagend werden. Es wird also der umgekehrte Weg angestrebt – man muss nicht zunächst tauglich nach Militärkriterien sein, um tätig sein zu dürfen, sondern nur die jeweils erforderlichen Kriterien beim jeweiligen Aufgabengebiet erfüllen.

Nachdem die Bandbreite der Betätigungsfelder von Kinder-, Jugend- bis Altenbetreuung, Sozialdienst, Rettungs- und Gesundheitswesen, Feuerwehr und Katastrophenhilfe, Zivilschutz, Verwaltung, IKT- und Cyber-Sicherheit, Bildungswesen bis zum Militärdienst reicht, wird sich wohl für fast jeden interessierten Menschen eine Betätigung finden lassen.

Das Freiwillige Gesellschaftsjahr könnte eine Gesamtdienstzeit von 12 Monaten zusätzlich aliquoten Urlaubsanspruch umfassen. Interessant wird die Vergütung – es sollten keine Almosen, aber auch nicht über Maßen entlohnt werden, da es dem Grundgedanken gemeinnütziger Tätigkeit zum Gemeinwohl entsprechen soll. Es wird jedenfalls der Mindestlohn[23] angeregt, demnach aktuell 1.500 Euro brutto in Österreich. Das entspricht, abhängig von unterschiedlichen Faktoren, etwa 1.100 bis 1.300 Euro netto. Je nach Betätigungsfeld kann es noch zu unterschiedlichen Zuschlägen kommen. Zum Beispiel, Grundwehrdiener in der Schweiz erhalten umgerechnet ca. 1.800 Euro/Monat netto.[24] Die Bandbreite möglicher finanzieller Ausgleichszahlungen ist also groß und entsprechend zu beurteilen.

Die Kosten für das Freiwillige Gesellschaftsjahr wären vom Bund zu tragen, somit obliegen ihm auch die grundsätzliche Steuerung der Bedarfsdeckung und die Ressourcenzuordnung im Anlassfall einer Krise. Den betroffenen Organisationen und auch Bundesländern mag es natürlich weiterhin möglich sein darüber hinaus Freiwillige auf eigene Kosten zu werben. Mindestlohn mag nun subjektiv als zu viel oder auch zu wenig klingen, ferner ist die Frage der Sicherstellung der Finanzierung offen. Ob hier dann ähnlich der Schweiz über eine Wehrersatzsteuer für jene die verpflichtet sind Wehrdienst zu leisten, aber diesen nicht ableisten wollen, laut nachgedacht werden sollte, ist letztlich noch unerheblich. Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe. Wenn eine Gesellschaft bereit ist, sich weiter zu entwickeln, ist sie auch bereit die Finanzierung sicherzustellen. Was möglich ist, hat die Coronakrise gezeigt. Und auch hier gilt, besser vorsorgen als das Nachsehen zu haben.

Dem gegenüber besteht weiterhin die Möglichkeit als männlicher Staatsbürger seiner Wehrpflicht nachzukommen. Die Wehrpflicht sollte parallel bestehen bleiben. Gleiches gilt für den Zivildienst als Wehrersatzdienst, um im Bedarfsfall die notwendigen Personalressourcen sicherstellen zu können, wenn es nicht genügend Freiwillige gibt. Man hat also die Wahl – derzeit sechs Monate Grundwehrdienst im Rahmen der Wehrpflicht beziehungsweise neun Monate Zivildienst als Wehrersatzdienst oder als attraktive Alternative zwölf Monate in Form eines Freiwilligen Gesellschaftsjahrs mit erhöhtem Lohn vom ersten Tag weg. Die Ableistung der zwölf Monate erfolgt bedarfsorientiert entweder durchgehend oder bevorzugt nach einer bestimmten Ausbildungs- und Verwendungsphase mit Resttagen, die in periodischen Übungs- beziehungsweise bedarfsorientiert in Einsatztagen innert einer bestimmten Zeitspanne abgeleistet werden müssen. Bereitstellungs- und Anerkennungsprämien wären hier zusätzlicher Anreiz für diese Form der Ableistung.

Man hat also die Wahl – derzeit sechs Monate Grundwehrdienst im Rahmen der Wehrpflicht beziehungsweise neun Monate Zivildienst als Wehrersatzdienst oder als attraktive Alternative zwölf Monate in Form eines Freiwilligen Gesellschaftsjahrs mit erhöhtem Lohn vom ersten Tag weg.

Einer weiteren Verwendung über das Freiwillige Gesellschaftsjahr hinaus ist bei Bedarf durchaus möglich, je nach Institution und Rahmenbedingungen kann das eine Übernahme in ein (un)befristetes Dienstverhältnis oder eine weitere ehrenamtliche Tätigkeit sein.

Gesundheits- und Fähigkeiten-Check

Für jede Tätigkeit im Rahmen des Freiwilligen Gesellschaftsjahres gibt es ein Anforderungsprofil mit Mindeststandards, die in den bestehenden Stellungsstraßen des Bundesheeres, erweitert um einen Wissens- und Fähigkeiten-Check (Talentebörse), überprüft werden könnten. Am Ende der Testreihe steht den Interessierten eine Anzahl von möglichen Tätigkeiten zur Auswahl. Das Anforderungsprofil für einen Soldaten – und selbst dort gibt es Unterschiede – wird anders aussehen, als für einen Cyberspezialisten oder für die Altenbetreuung.

In enger Abstimmung zwischen Bundesleitstelle und den jeweiligen Organisationen/Institutionen als Bedarfsträgern würde die Bedarfsdeckung nach Prioritäten sichergestellt. Durch vorausschauende Planung ist jedenfalls eine ausgewogene Sicherstellung des laufenden Betriebes, aber eben auch die Reservenbildung für etwaige Krisen in der Zukunft, zu gewährleisten. Mit den jeweiligen geeigneten Interessenten sind sodann passende Vereinbarungen zu treffen, abgestuft nach individueller Ausbildungsphase, unmittelbar daran anschließender Verwendungsphase und etwaigen verbleibenden Resttagen zur Ableistung im Rahmen von Übungen oder Einsätzen.

Prämisse – nur so viel Ausbildung, wie unbedingt nötig!

Aufgrund des Anforderungsprofils für die jeweilige vorgesehene Tätigkeit ist auch klar der individuelle Ausbildungsbedarf abzuleiten. Hier ist stringent der Grundsatz einzuhalten – nur so viel wie unbedingt nötig! In Zeiten knapper Ressourcen sind diese effektiv und effizient zu nützen. Ein Katastrophenhelfer braucht keine Waffen- und Gefechtsausbildung. Nicht jeder Cyber-Spezialist muss zwingend zum Soldaten ausgebildet werden. Die Vielzahl an Aufgaben, die im Rahmen einer umfassenden Landesverteidigung und Sicherheitsvorsorge anfallen, erfordert daher auch eine Vielfalt an Humanressourcen zur Bewältigung derselben. Es bedarf darüber hinaus entsprechender Reservenbildung, um anlassgemäß Schwergewichte bilden zu können, punktuell verstärken, verdichten oder auch ablösen zu können.

Modulare Ausbildung stellt sicher, dass nur jene Fähigkeiten vermittelt werden, die tatsächlich für die Erledigung der jeweiligen Kernaufgaben benötigt werden. Es ist irrelevant, ob beispielsweise die Abwehr einer Cyber-Attacke vom Bundesministerium für Landesverteidigung, für Inneres oder aus einem gesamtstaatlich gemeinsam zu betreibenden Cyber-Sicherheitszentrum erfolgt.

Breites Betätigungsfeld

Die Vielfalt der Tätigkeiten, die für das Funktionieren der Gesellschaft, für den Zusammenhalt, für das Gemeinwohl, letztlich für die Stärkung der Resilienz von Staat und Gesellschaft erforderlich ist, ist breit gestreut. Vom Rettungs- und Gesundheitswesen, über Kinder-, Jugend- und Altenbetreuung, Feuerwehr und Katastrophendienst, Zivilschutz, Sozialdienste bis zum Militär, letztlich auch in Auslandsdiensten, wie z.B. Entwicklungshilfe – all jene Tätigkeiten, die dazu beitragen, dass die Bevölkerung in Österreich in einem sicheren und stabilen Umfeld unter Wahrung des sozialen Friedens leben kann.

Neben der individuellen Ausbildung für die jeweilige Kernaufgabe ist allen wiederum gemeinsam eine modulartige Erarbeitung gesellschaftspolitischer Inhalte, nennen wir sie Staatsbürger- und Gesellschaftskunde. Hier werden immer unter Berücksichtigung individueller Vorkenntnisse

  • Grundlagen der Demokratie, Normen und Werte,
  • Staatsbürgerkunde,
  • Risikobild und Bedrohungen,
  • Resilienz und Sicherheitsvorsorge – Zusammenwirken aller Organisationen/Institutionen,
  • Gemeinwesen und Zivilschutz

vermittelt. Gerade das Verständnis für den eigenen Platz in der Gesellschaft und Institution sowie für das Zusammenwirken der einzelnen Organisationen zur Bewältigung komplexer Herausforderungen schafft Klarheit für das eigene Wirken und Tun als Beitrag hiezu. Diese Bewusstseinsbildung trägt in weiterer Folge zur aktiven Gestaltung der Inhalte, zur Stärkung der Persönlichkeit sowie zum Zusammenhalt in der Gemeinschaft und zur Resilienz von Staat und Gesellschaft bei.

Eigentlich sind die Inhalte im Wesentlichen nicht neu – sollten sie doch in den Schulen im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung vermittelt werden.

Flexible Gestaltung – Bedarfsorientiert: Durchdienen oder Übungspflicht

Durch diese individuelle Gestaltung der Ausbildung für die jeweilige Kernaufgabe ergibt sich natürlich auch ein unterschiedliches Verhältnis zur Anwendungsphase. Auf den Militärdienst bezogen werden dadurch Funktionen ermöglicht, deren Ausbildung länger dauert als der derzeitige Grundwehrdienst von sechs Monaten. Hier kann ein bedarfsorientiertes Durchdienen oder die Ableistung der Restzeit in Form von Übungen und Einsätzen erfolgen. Letzteres wäre im Sinne von Reservenbildung für einen etwaigen Anlassfall, eine Krise, zu bevorzugen. Ähnlich wird es bei Pflegeberufen sein und natürlich insbesondere beim Katastrophen- und Zivilschutz.

Auf den Militärdienst bezogen werden dadurch Funktionen ermöglicht, deren Ausbildung länger dauert als der derzeitige Grundwehrdienst von sechs Monaten. Hier kann ein bedarfsorientiertes Durchdienen oder die Ableistung der Restzeit in Form von Übungen und Einsätzen erfolgen.

Gesamtstaatlich-effizient gesehen macht es wenig Sinn Sanitätspersonal des Bundesheeres in Altersheimen einzusetzen, nur weil es verfügbar ist, zumal deren militärische Ausbildung hier nicht relevant ist. Selbiges gilt für Soldaten beim Telefondienst, da Soldaten eine andere Kernaufgabe und diese zu festigen haben. Hier wären eben primär andere gefordert. Die zuständigen Stellen haben im Rahmen ihrer Sicherheitsvorsorge zeitgerecht entsprechende Reserven bereit zu stellen und für bestimmte Aufgaben abrufbar zu halten. Hier spricht einiges dafür Reservestrukturen zu schaffen, die bedarfsorientiert einberufen werden können, um andere Kräfte zu verstärken oder abzulösen. Wiederkehrende Übungen, wenn ein Zusammenwirken, eine Fort- und Weiterbildung oder Rezertifizierung von erlernten Fähigkeiten erforderlich sind, dienen dem Kompetenzerhalt.

So hat sich das Militär nicht aus Sparsamkeitsgründen an das zivile Gesundheitswesen anzulehnen und in einer Krise fehlt es dann beiden, sondern umgekehrt, das Militär hat inklusive seiner Reservekomponente (Miliz) selbst ausreichend Ressourcen vorzuhalten, die im Anlassfall der zivilen Struktur zur Verfügung gestellt werden können. Das wäre wahre staatliche Sicherheitsvorsorge. Um Missverständnissen vorzubeugen – dies betrifft Engpassressourcen wie beispielsweise Ärzte, die nicht nebenberuflich in „Reserve“ gehalten werden können. Dort, wo sich die Fähigkeiten zweier Berufsausbildungen nicht gegenseitig behindern, wäre dieses Prinzip der Reservenbildung zu bevorzugen. So wird der „Milizgedanke“, der ursprünglich dem Militär zugeordnet ist, in weiterer Folge generell in der Gesellschaft verankert.

Win-win-Situation für alle

Durch diese Vernetzung der Gesellschaft, gegenseitige Unterstützung, Nutzung von Dual-use-Fähigkeiten, wird ein Mehrwert nach dem Teamgedanken kreiert. Abgesehen von finanziellen Anreizen für den Aspiranten gilt es auch einmal erworbene Dual-use-Fähigkeiten in den unterschiedlichen Organisationen gegenseitig anzurechnen, ebenso Fort- und Weiterbildungen, so dass sowohl der Arbeitnehmer seinen Nutzen hat als auch der (zukünftige) Arbeitgeber den Mehrwert derartiger Leistungsträger des Freiwilligen Gesellschaftsjahres für seinen Betrieb oder Organisation erkennt. Betrieben und Institutionen ist neben dem Aufzeigen des Mehrwerts die Anstellung von Teilnehmern des Gesellschaftsjahres beispielsweise durch Steuervergünstigungen, Prämien und gesellschaftliche Anerkennung, beispielsweise nach US-amerikanischem Vorbild, schmackhaft zu machen. Dies gilt insbesondere für jene Teilnehmer, die noch übungs- und einsatzpflichtig sind. Teilnehmern wiederum kann die Bereitschaft zum Absolvieren des Gesellschaftsjahrs durch Vergünstigungen bei der Berufsausbildung oder im Studium eine bevorzugte Anstellung bei gleichen Kriterien mit anderen Bewerbern, Steuererleichterungen, Prämien oder Pensionsanrechnungen ebenso Anreize geboten werden.

Fazit

Gesellschaft neu Denken bedeutet sich neuen Ideen gegenüber zu öffnen, Bewährtes mit Neuem zu verknüpfen und dadurch auch andere Lösungsansätze zuzulassen.

Ein freiwilliges Gesellschaftsjahr für alle als attraktive Ergänzung zu bestehenden Konzepten ermöglicht die Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft, stärkt den Solidaritätsgedanken und fördert die Resilienz. Die breite inhaltliche Vielfalt der Möglichkeiten spiegelt sich aber auch in der Breite und Tiefe der räumlichen Strukturen wider. Wo immer möglich bietet die Einbindung in die Regionalität auch Verankerung in der Gemeinschaft und die enge Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Der Dienst an der Gemeinschaft, die Verrichtung gemeinnütziger Aufgaben bietet aber auch für die Teilnehmer Persönlichkeitsentwicklung, Förderung des Demokratieverständnisses, ermöglicht Verantwortung wahrzunehmen und bietet auch die Chancen einer Berufsorientierung. Hier Gelerntes kann im weiteren Berufsleben angerechnet, vertieft, erweitert und genützt werden.

Der Dienst an der Gemeinschaft, die Verrichtung gemeinnütziger Aufgaben bietet aber auch für die Teilnehmer Persönlichkeitsentwicklung, Förderung des Demokratieverständnisses, ermöglicht Verantwortung wahrzunehmen und bietet auch die Chancen einer Berufsorientierung.

Es erscheint leichtfertig aus staatlicher und gesellschaftlicher Sicht sich nur auf bestehende Ressourcen abzustützen, weil sie eben verfügbar sind und anstehende Aufgaben gerade noch bewältigen zu können. Dies ist kein Garant für die nächste Krise gut aufgestellt zu sein. Letztlich schadet dieser Minimalismus allen. Staat und Gesellschaft müssen sich breiter im Sinne vielfältiger Ressourcen und Reservenbildung aufstellen.

Dergestalt wäre das „Freiwillige Gesellschaftsjahr für alle“ die neue Win-win-Situation im 21. Jahrhundert.


Bernhard Schulyok; Forschungsinteressen: Sicherheitspolitik, Militär, Gesellschaft. Drei Taschenbücher für die Zeitschrift „Truppendienst“, zahlreiche Einzelartikel. Fähigkeitenentwicklung im ÖBH unter Beachtung nationaler und internationaler Aspekte. Bei den in diesem Artikel vertretenen Ansichten handelt es sich um die des Autors. Diese müssen nicht mit jenen des BMLV übereinstimmen.


[1] Armin Arbeiter,“So vielseitig gefordert war das Bundesheer noch nie,“, Tageszeitung KURIER (17.03.2020), https://kurier.at/politik/inland/tanner-so-vielseitig-gefordert-war-das-bundesheer-noch-nie/400783367, abgerufen am April 18, 2021.

[2] Information und Öffentlichkeitsarbeit, Interne Information 2021, Nr. 4 (Jänner 19, 2021) – Bundesheer: Bilanz 2020.

[3] Idem.

[4] Michael Bauer tweetete: „Das #Bundesheer hat heute 8.018 Soldaten im Einsatz…“ (@Bundesheerbauer, Dezember 07, 2020),; (https://twitter.com/Bundesheerbauer/status/1335851068920651778?s=03), abgerufen am Mai 02, 2021.

[5] David Krutzler, Stadt Wien sucht Contact-Tracer für 1.800 Euro brutto, Der Standard (21.09.2020), https://www.derstandard.at/story/2000120149208/stadt-wien-sucht-contact-tracer-fuer-1-800-euro-brutto, abgerufen am Mai 02, 2021.

[6] APA, Bundesheer weitet Covid-Einsatz aus!, BMLV, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201111_OTS0179/tanner-bundesheer-weitet-covid-einsatz-aus, abgerufen am Mai 02, 2021.

[7] APA,Heer muss Grenz-Assistenzeinsatz großteils selber zahlen, Salzburger Nachrichten(23.10.2020), https://www.sn.at/politik/innenpolitik/heer-muss-grenz-assistenzeinsatz-grossteils-selber-zahlen-94609015#:~:text=Der%20Rechnungshof%20hat%20den%20Assistenzeinsatz,und%202017%20rund%20273%20Mio., abgerufen am Mai 02, 2021.

[8] Sylvia-Carolina Sperandio: „Sicherheitsrisiko Pandemie“ in „Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2020“, Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV), Hrsg., Wien, 2019, S. 219-226. Und „Österreichische Sicherheitsstrategie“, Bundeskanzleramt Österreich, Hrsg, Wien, 2013, S. 7.

[9] Coronavirus: Erster Verdachtsfall in Wien, Virus entwickelt sich, Kurier (26.01.2020), https://kurier.at/chronik/oesterreich/coronavirus-erster-verdachtsfall-in-wien/400736928, abgerufen am Juni 04, 2021.

[10] „Zweite Welle in Österreich realistisch“, [email protected] (28.04.2020), https://science.orf.at/stories/3200641/, abgerufen am Juni 04, 2021.

[11] Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV), „Assistenzeinsatz – rechtliche Grundlagen; neuerliche Klarstellung”, GZ. S91018/11-GrpRechtLeg/2020 (1), 3.

[12] Idem.

[13] Ibid., 4.

[14] Peter Carstens, Bundeswehr-General fordert baldiges Ende des Einsatzes in Altenheimen, Frankfurter Allgemeine (04.02.2021), https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/corona-hilfe-in-altenheimen-bundeswehr-general-fordert-ende-17181171.html, s.a. Donata Riedel, Deutschland braucht mehr Katastrophenschutz, Handelsblatt (30.03.2021), https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/corona-hilfseinsatz-bundeswehr-general-schelleis-deutschland-braucht-mehr-katastrophenschutz/27054268.html, abgerufen am Mai 05, 2021.

[15] Peter Carstens Bundeswehr-General.

[16] Idem.

[17] Idem.

[18] https://www.bundesheer.at/cms/artikel.php?ID=10647; abgerufen am Mai 06, 2021.

[19] https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/hilfe_leisten/1/Seite.2980013.html; abgerufen am Mai 06, 2021.

[20] https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/corona-beschleunigt-die-radikalisierung-warnt-sozialpsychologe-ernst-dieter-lantermann-100.html, abgerufen am Mai 06, 2021.

[21] Teresa Reiter, Gesellschaftliche Polarisierungs- und Fragmentierungsprozesse, In: BMLV: Sicher. Und morgen? Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2021.

[22] Staatliches Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM), „Grundlagen der Versorgungsresilienz“, (Studie, Wien, 2020).

[23] https://www.arbeitsrechte.de/mindestlohn-oesterreich/#:~:text=Der%20%E2%80%9CMindestlohn%E2%80%9D%20in%20%C3%96sterreich%20pro,in%20der%20Wirtschaft%20Sie%20landen, abgerufen am Mai 07, 2021.

[24] https://armtec.ch/fakten-ueber-deinen-lohn-in-der-rekrutenschule-2021/, abgerufen am Mai 07, 2021.

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