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Von der kognitiven Kriegführung im Lichte des Theresianischen Führungsmodells

Abstract: Führung bedarf einer kognitiven Leistung. In den verschiedenen Führungsmodellen gibt es daher Wirkungsmöglichkeiten für eine kognitive Einflussnahme auf die Führungskraft, den Führungsprozess und schließlich auf die Führungsentscheidung selbst. Anhand des Theresianischen Führungsmodells sollen diese Wirkmöglichkeiten einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Dieses Modell eignet sich ob seines einfachen Aufbaus besonders dazu, Auswirkungen kognitiver Kriegführung auf die Führung darzustellen und in weiterer Folge Maßnahmen dagegen zu entwickeln.

Problemdarstellung: Welche Aspekte des Theresianischen Führungsmodells bieten die Ansatzmöglichkeit für eine Einflussnahme durch die kognitive Kriegführung und wie kann man dieser begegnen?

Was nun?: Führungsmodelle bilden in der Ausbildung von Führungskräften das Fundament, durch welches potenzielle Entscheidungsträger erfolgreiche Führung erlernen. Dabei dienen diese Modelle der Orientierung und vermitteln eine Denkschule, durch die Lösungen von Problemen strukturiert und nachvollziehbar erarbeitet werden können. Es stehen nicht nur die potenziellen Führungskräfte im Fokus, sondern alle, die während ihrer beruflichen Tätigkeit Entscheidungen zu treffen haben. An der Theresianischen Militärakademie werden die zukünftigen militärischen Führungskräfte nach dieser Denkschule ausgebildet.

Source: Verfasser

Das Theresianische Führungsmodell

Das Modell ist die Grundlage einer Führungsphilosophie, nach der die künftigen Offiziere des Österreichischen Bundesheeres ausgebildet werden. Es umfasst drei Ebenen: die Problem-, die Führungs- und die Entscheidungsebene.[1] Diese drei Ebenen sind voneinander getrennt, aber in ihrer Umsetzung miteinander verbunden. So muss die Führung das Problem adressieren und die entsprechende Entscheidung mit diesem in Deckung bringen. Die Eckpunkte der einzelnen Ebenen bilden wiederum eine Dreiecksbeziehung.[2]

Das Modell ist die Grundlage einer Führungsphilosophie, nach der die künftigen Offiziere des Österreichischen Bundesheeres ausgebildet werden. Es umfasst drei Ebenen: die Problem-, die Führungs- und die Entscheidungsebene.

Das Theresianische Führungsmodell (Problem-Layering); Source: Verfasser

So stehen Raum, Denken und Verstand in direktem Zusammenhang. Zwischen diesen drei Faktoren ereignet sich vorrangig die kognitive Einflussnahme beziehungsweise die Beeinflussung. Die weiteren Faktoren des Modells[3] sind jene, die aus Raum, Denken und Verstand heraus resultieren. Ein Faktor der kognitiven Leistung ist die sinnliche Erkenntnis als Begreifen dessen, was man sinnlich erfassen kann. Der zweite zentrale Faktor ist das abstrakte Denken an und für sich. Die Wechselbeziehung zwischen diesen beiden Faktoren lässt sich auf die Formel bringen, dass einerseits Begriffe (Denken) ohne Anschauung (Inhalt) leer sind und andererseits Anschauung ohne Begriffe blind ist.[4]

Die Beziehung zwischen Raum, Denken und Verstand

Wo liegen nun die Angriffspunkte in dem Theresianischen Führungsmodell? Auf der Problemebene fällt zunächst der Raum als möglicher Angriffsvektor ins Auge. Der Raum, in welchem sich die kognitive Kriegführung ereignet, ist der Cyber- und Informationsraum, mit dessen Hilfe auf die kognitive Ebene eingewirkt werden kann. Das Informationsumfeld verfügt über drei Dimensionen, die für die Betrachtung der kognitiven Angriffsvektoren näher zu beleuchten sind.[5] Neben der physischen sind hier die informatorische und die kognitive Dimension zu nennen. Dabei hat die kognitive Dimension die direkte Verbindung zum menschlichen Denken. Sie dient vor allem der gedanklichen Verarbeitung von Informationen (also dem Denken), die aus den beiden anderen Dimensionen bereitgestellt werden.[6]

Die Dimensionen im Informationsumfeld; Source: BMLV (2023), Das Querschnittskonzept „Einsatz im Informationsumfeld,“ 15.

Die Verbindung der Dimensionen im Informationsumfeld zu den Faktoren aus dem Theresianischen Führungsmodell erschließt sich aus deren Austauschbarkeit. Die physische Dimension ist durch den Faktor Raum repräsentiert, die kognitive Dimension steht für das Denken, während die informatorische Dimension sich in dem für die Empirie stehenden Faktor des Verstandes wiederfindet. Es muss nicht nur das Problem als Aufgabe erkannt werden, sondern darauf basierend eine entsprechende Führung mit den vorhandenen Informationen eine brauchbare Entscheidung treffen. Hier ergeben sich schon die wesentlichen Herausforderungen in der kognitiven Kriegführung.

Die Verbindung der Dimensionen im Informationsumfeld zu den Faktoren aus dem Theresianischen Führungsmodell erschließt sich aus deren Austauschbarkeit.

Das Erkennen des Problems ist an Informationen gebunden, die mehr oder weniger offensichtlich sind. Die Erfassung des Problems spielt sich im Informationsraum ab, die Informationen befinden sich auf der physischen Ebene desselben. Bei einem offensichtlichen Problem stellt sich die Frage, wie integer die Informationen sind, die da als so offensichtlich wahrgenommen werden. Wird der Entscheidungsträger hier schon beeinflusst? Bei nicht offensichtlichen Problemlagen kann diese Verschleierung durchaus auch gewollt sein. Denkt man an hybride Auseinandersetzungen, so ist die Verschleierung der Wirklichkeit Programm.[7] Fakten sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen. Informationen, die als Fakten auf die kognitive Ebene wirken, werden als solche zwar wahrgenommen, die Intention dahinter bleibt allerdings oft unerkannt.[8] Hier hat man einen fließenden Übergang von der kognitiven zur informatorischen Dimension. Informationen sind die Grundlage für das Erfassen und Lösen von Problemen. Diese, falls sie erfassbar sind, regen unser Denken an, welches durch das empirische Erfassen der Parameter der Herausforderung weiter verdichtet wird. Für diese Verdichtung, wie auch für das Erkennen des Problems, ist neben der Integrität der Informationen auch die Form der Information – bezogen auf ihre kognitive Wirkung – von Bedeutung. Sprache, Zahl oder Bild sind zwar alle in Daten umwandelbar, wirken aber in ihrer Form komplett unterschiedlich.[9] Das Bild hat dabei die höchste Wirkkraft. Die Illusion ist ein mächtiges Werkzeug im Kampf um die Gedanken.[10] Das empirische Erfassen einer solchen bildlichen Information alleine reicht nicht mehr aus, um mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um die Realität handelt. Auf allen drei Ebenen des Theresianischen Führungsmodells kann somit eine Beeinflussung auf kognitiver Ebene erfolgen.

Die Zielgruppen in der kognitiven Kriegführung und die zu erzielenden Effekte

Das Führungsmodell ist nicht nur auf das Militär anzuwenden, es kann auch auf andere Personengruppen Anwendung finden. Im Prinzip ist es überall dort angezeigt, wo es um Entscheidungsfindungen geht. Die Effekte, die im Informationsumfeld die kognitive Ebene bewirken, zielen auf eine Änderung von Regeln, Normen, Werten und Überzeugungen ab.[11] Im Wesentlichen sind es vier große Zielgruppen, die näher zu betrachten sind. Zunächst das Militär, welches in der Vorbereitung und in der Durchführung von Einsätzen Ziel von Angriffen im Informationsumfeld sein kann. Die Kampfmoral oder der Kampfwert sind hier im Fokus von Einflussnahmen.[12]

Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft – aber auch in anderen Gesellschaftsbereichen – haben einen hohen Multiplikationsfaktor in der Gesellschaft. Eine Beeinflussung hätte große Auswirkungen – gewünschte Entscheidungen treffen oder unerwünschte Entscheidungen verhindern.[13] Die dritte Zielgruppe sind spezifische Gruppen, wie etwa Minderheiten, die durch Beeinflussung zu Unterstützung oder Gegnerschaft gedrängt werden.[14] Als letzte Gruppe kann die Gesamtbevölkerung angesprochen werden, die durch kognitive Einflussnahme dazu gebracht werden soll, Entscheidungen zu fordern oder gegen Entscheidungen politischen Druck aufzubauen.[15] Letztlich geht es bei allen Zielgruppen darum, durch die Beeinflussung, was und wie zu denken ist, zu verändern.

Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft – aber auch in anderen Gesellschaftsbereichen – haben einen hohen Multiplikationsfaktor in der Gesellschaft.

Die Effekte können in allen drei Dimensionen des Informationsumfeldes erzielt werden und wirken stets auf Regeln, Normen, Werten oder Überzeugungen, um ein bestimmtes Verhalten zu erzielen oder zu unterbinden. Beispiele sind in den aktuellen Konflikten zwischen der Ukraine und Russland oder zwischen der Hamas und Israel tagtäglich zu beobachten. Vor allem Bilder von Gräueltaten haben einen Effekt und bewegen die verschiedenen Zielgruppen, Partei für die eine oder andere Seite zu ergreifen. Bilder wirken dabei zum Beispiel aus der informatorischen Dimension auf die Menschen.

Das Theresianische Führungsmodell und die Effekte kognitiver Kriegführung

Den Ableitungen von Gérald Bronner[16] folgend werden Führungskräfte durch Abstützung auf entsprechende Modelle und Prozesse der Führung bei ihrem Führungshandeln entlastet. Es werden kognitive Kapazitäten durch ebendiese Modelle und Prozesse freigespielt. Es ergibt sich somit die Möglichkeit, dass diese Kapazitäten zur Erbringung einer höheren kognitiven Leistung in der Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Aber auch die Verwendung dieser Kapazitäten, um die Effekte der kognitiven Kriegführung zu minimieren, scheint reizvoll.

Im Theresianischen Führungsmodell gibt es die Faktoren Kraft, Planen und Vernunft (im Sinne von Bewerten), die besonders dazu geeignet sind, die Einwirkung einer Beeinflussung herabzusetzen. Widmen wir uns einmal der Vernunft, die es ermöglicht, empirisch erfasste Informationen hinsichtlich ihrer Quellen und ihrer Integrität zu prüfen und zu bewerten. Um beim Beispiel des Bildes zu bleiben, ist die Quelle zu prüfen, die Intention hinter dem Bild und die Authentizität desselben zu bewerten. Es sind also die Informationen hinsichtlich aller drei Dimensionen im Informationsumfeld zu hinterfragen. Darauf aufbauend ist der Plan zur Lösung der Problemlage zu entwerfen, wobei hier auch nach der Analyse der Situation eine Führungshandlung zu setzen sein wird. Schließlich sind Kräfte einzusetzen, welche entsprechend informiert zur Wirkung gebracht werden müssen.

Im Theresianischen Führungsmodell gibt es die Faktoren Kraft, Planen und Vernunft, die besonders dazu geeignet sind, die Einwirkung einer Beeinflussung herabzusetzen.

Die wesentliche Fähigkeit im Theresianischen Führungsmodell ist die Vernunft, die über den Plan in Wechselwirkung zum Denken auf der Führungsebene tritt. „Wenn wir uns nur auf das Faktische beziehen, laufen wir Gefahr, in die Banalität zu laufen.“[17] Diese Banalität, die der Nobelpreisträger Anton Zeilinger hier anspricht, ist im vorliegenden Fall jenes Festhalten am vermeintlichen Fakt, ohne aber zu prüfen, ob dieser der Realität entspricht. Bezogen auf die Wissenschaft führt Zeilinger weiter aus: „Ist Wissenschaft (Anmerkung des Verfassers: Information) absolut gesichertes Wissen? Immer und überall? Die Antwort muss natürlich sein: Es kann immer neue Erkenntnisse geben.“[18] Informationen sind nie als unveränderlich hinzunehmen.

Ansätze zur kritischen Bewertung von Informationen

Im Wesentlichen eröffnen sich zwei Wege der kritischen Auseinandersetzung mit Informationen: zum einen „[…] jederzeit selbst zu denken […]“[19] und andererseits den kritischen Diskurs zu führen. Die Kombination beider Wege scheint noch besser zu sein. In beiden Fällen ist die Erweiterung der eigenen Perspektive ein wesentliches Element, um die Dinge so zu sehen, wie sie sind, nicht wie sie einem erscheinen oder wie man sie sich vielleicht auch wünscht.[20] Um dies zu erreichen, ist eine ausgeprägte interkulturelle Kompetenz erforderlich.[21] Dies ist essenziell, da der kulturelle Hintergrund die objektive Wahrnehmung beeinträchtigt.[22]

Die Erweiterung der eigenen Perspektive ist ein wesentliches Element, um die Dinge so zu sehen, wie sie sind, nicht wie sie einem erscheinen oder wie man sie sich vielleicht auch wünscht.

Diese Objektivität herzustellen ist sehr wichtig, um die Realitätswahrnehmung unter Kontrolle zu haben.[23] Die oben genannte interkulturelle Kompetenz ist integraler Bestandteil des Kompetenzportfolios eines Entscheiders. Eine Führungskraft muss in unterschiedlichen Rollen agieren. Sie muss einerseits als Generalist über den Tellerrand hinausdenken.[24] Informationen zu erfassen, sie mit anderen Informationen in Verbindung zu setzen und darauf basierend Entscheidungen zu treffen, ist eine Möglichkeit, um die Beeinflussung im Rahmen der kognitiven Kriegführung herabzusetzen.[25] Diese Bewertung ist durch das Experten- und Spezialwissen der Führungskraft zu ergänzen.

Rollenvielfalt einer Führungskraft; Source: Verfasser

Der zentrale Faktor ist eine umfassende Bildung und die kritische Dialektik von Empirie und Rationalität. Der Denkprozess einer Führungskraft setzt sich aus der sinnlichen Erkenntnis (der sinnlichen Erfahrung) und der rationalen Erkenntnis (dem abstrakten Denken) zusammen.[26] Es geht nicht nur um das Erkennen von vorliegenden Fakten, sondern um deren Interpretation und deren Zusammendenken zu möglichen Antworten auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit. Es geht darum, „[…] von der lebendigen Anschauung zum abstrakten Denken und von diesem zur Praxis […]“[27] zu gelangen.

Die Notwendigkeit einer akademischen Bildung

Bildung stärkt die kognitive Resilienz. Die Angriffsvektoren im Theresianischen Führungsmodell zeigen, welche Bereiche grundsätzlich zu härten sind. Die Verstandesleistung – als überwiegend empirischer Anteil am Führungsmodell – ist dahingehend zu optimieren, dass mögliche Falschinformationen als solche auch erkannt werden. Dies setzt voraus, dass für eine erste Überprüfung im Rahmen einer Kontextualisierung ein situationsspezifisches Überblickswissen vorhanden ist. Dieses ermöglicht eine grobe Einordnung hinsichtlich der Integrität und Authentizität der vorliegenden Informationen. Die Breite an generellem Wissen, eine breite generelle Fachkompetenz, ist hier gefordert. Im militärischen Kontext bedeutet dies, dass eine militärische Führungskraft über ein Basiswissen im Bereich der Militärwissenschaften verfügen sollte. Dabei sind auch die Nahtstellen zu anderen verwandten Wissenschaftsbereichen (zum Beispiel Politikwissenschaften) zu berücksichtigen. Das Zusammendenken ist von zentraler Bedeutung auf dem kognitiven Gefechtsfeld.[28] Diese Kompetenz wird im Rahmen akademischer Bildungsangebote geschult, auch oder vor allem in jenen militärischer Bildungseinrichtungen. Diese generalistische, akademische Auseinandersetzung mit Bildungsinhalten fördert vor allem das Nachdenken und Verstehen. Um aus diesem in das Handeln zu kommen, bedarf es der Experten-Bildung in der Militärwissenschaft. Diese enger gefasste militärische Fachkompetenz ermöglicht es, die Übersetzungsleistung sicherzustellen, die empirisch erfassten Informationen, nach der ersten Einordnung aus einer weiter gefassten Perspektive, in den militärischen Kontext einzubetten und diese zu bewerten. Diese Vernunftleistung geht also Hand in Hand mit der vorausgehenden Verstandesleistung. Beide Bereiche fußen auf umfassender akademischer Bildung und kritischer Auseinandersetzung mit den vorliegenden Inhalten.

Bildung stärkt die kognitive Resilienz. Die Angriffsvektoren im Theresianischen Führungsmodell zeigen, welche Bereiche grundsätzlich zu härten sind.

„Es ist nämlich nicht das ,Wissen‘, was später zählt, sondern das ,Verstehen‘.“[29] Dieses Verstehen baut auf akademischer Bildung auf und ist genau jene Fachkompetenz, die vermittelt werden soll. Seit jeher waren Informationen der Faktor, der das menschliche Handeln maßgeblich beeinflusst hat. Einerseits haben Informationen Menschen dazu angeregt, Handlungen zu setzen oder zu unterlassen, andererseits wurden diese Handlungen durch Informationen auch in unterschiedliche Richtungen gelenkt. Dies liegt vor allem daran, wie Informationen auf den Entscheidungsvorgang des Menschen wirken. Wie bereits am Theresianischen Führungsmodell dargestellt, sind Informationen in den kognitiven Anteilen der Entscheidungsfindung und Entscheidungsumsetzung beeinflussend beziehungsweise richtungsgebend.

Information und Entscheidungsfindung

Brand hat ein Entscheidungsmodell[30] entworfen, welches zeigt, welche Einflussbereiche Informationen offenstehen. Wie im Theresianischen Führungsmodell kann hier zwischen Verstandes- und Vernunftleistung unterschieden werden. Im Arbeitsspeicher werden die Informationen die Situation betreffend verarbeitet. Es geht um das Erfassen der Situation in ihren Einzelheiten, militärisch ausgedrückt, um die einleitende Lagefeststellung.[31] In diesem Arbeitsspeicher erfolgt noch keine Bewertung dieser Informationen. Die Kontextualisierung erfolgt im Rahmen der ausführenden Funktionen des Gehirns. Hier werden die Informationen aus dem Arbeitsspeicher (Informationen zur Situation, aber auch Lösungsstrategien und ähnliche aus der Vergangenheit gespeicherte Informationen) zueinander in Beziehung gesetzt.

Decision making under objective risk conditions model; Source: M. Brand, K. Labudda and H.J. Markowitsch, Neuropsychological correlates of decision-making in ambiguous and risky situations. Neural Networks, 19, 1266–1276.

Daraus werden schließlich Lösungsstrategien entwickelt und zu Lösungen synthetisiert. Mit deren Umsetzung beginnt ein Regelkreis der Entscheidungsfindung, ähnlich dem sogenannten taktischen Führungsverfahren.[32] Dieses Modell wirkt sehr rational und vernunftorientiert, aufbauend auf den zur Verfügung stehenden Informationen. Informationen sind die Parameter, auf denen Entscheidungen aufgebaut sind, egal ob sie nun rational betrachtet werden oder emotional verbrämt sind. Dieses wesentliche Element soll im weiteren Verlauf der Ausführungen andiskutiert werden: die Emotion. Emotionale Aspekte sind als Einflussfaktoren in obigem Modell schon ersichtlich. Die kognitive Kriegführung hat mit der Emotion einen sehr starken Angriffsvektor zur Verfügung. Die Emotion ist ein wichtiger Multiplikator beim Kampf um die Gedanken und das Denken der Menschen.

Emotionen und kognitive Kriegführung

Betrachtet man die Wirkung von Informationen auf emotional beladene Themenbereiche – Bilder von leidenden oder misshandelten Frauen und Kindern –, so wirken damit verwobene Informationen sehr intensiv auf die menschlichen Gehirne.[33]

Aber auch andere sensationsbeladene Informationen belegen die verfügbare menschliche Gehirnzeit.[34] Diese verfügbare Gehirnzeit ist in der Geschichte der Menschheit stetig angestiegen. Dies hat nach Bronner damit zu tun, dass das Gehirn zusehends weniger mit dem nackten Überleben beschäftigt ist und so kognitive Kapazitäten freispielen konnte.[35] Diese freie Gehirnzeit wird mit einem Angebot auf einem kognitiven Marktplatz konfrontiert. Dieser Marktplatz bietet auch der kognitiven Kriegführung Möglichkeiten, zu wirken. Die besonders wirkungsvollen kognitiven Güter auf diesem Marktplatz sind jene, die unsere Emotionen ansteuern. Die Funktionsweise unseres Gehirns bei der Entscheidungsfindung, dargestellt nach Schiebener und Brand,[36] verdeutlicht diesen emotionalen Einfluss.

Specified model of the main inner processes involved in decision-making under objective risk conditions; Source: J. Schiebener, M. Brand, M, Decision Making Under Objective Risk Conditions – a Review of Cognitive and Emotional Correlates, Strategies, Feedback Processing, and External Influences, Neuropsychological Review 25, 171–198.

Die rationale Denkleistung vollzieht sich demnach im reflektiven System des Gehirns, hier findet sich auch das weiter oben beschriebene Zusammenspiel zwischen Arbeitsspeicher und ausführenden Funktionen. Die Gefühle finden ihren Zugang zur Entscheidungsfindung über das impulsive System des Gehirns. Abhängig vom Trigger in den zu verarbeitenden Informationen ist entweder das eine oder das andere System das führende im Entscheidungsfindungsprozess des Gehirns.[37] Ist die Information, welche den Entscheidungsprozess ansteuert, emotional aufgeladen, wird das impulsive System die Führung im Gehirn übernehmen.

Welche Emotionen „triggern“ den Menschen vorrangig? Man kann davon ausgehen, dass es vor allem Sexualität, Angst und Zorn sind, die als emotionale Grundlage einem kognitiven Erzeugnis eine hohe Viralität verleihen.[38] Sind nun kognitive Maßnahmen mit diesen Emotionen hinterlegt, können sie sehr nachhaltig wirken. Sie erregen die Aufmerksamkeit und nehmen Gehirnzeit in Anspruch. Das bedeutet, das Denken ist in eine bestimmte Denkrichtung vorgespannt und tendenziell in der Entscheidungsfindung und der Durchführung in diese bestimmte Richtung gelenkt. Angst ist eine in diesem Kontext hervorzuhebende Emotion. Informationen, die mit Angst in Verbindung gebracht werden können, signalisieren uns potenzielle Gefahren. Angst zieht die Aufmerksamkeit über ein vernünftiges Maß hinaus auf sich.[39] Das macht Information in Zusammenhang mit terroristischen Bedrohungen, den Terror als Kommunikationsstrategie, vor allem in den Zielgruppen der politischen Entscheidungsträger und der Bevölkerung so wirkmächtig.

Informationen, die mit Angst in Verbindung gebracht werden können, signalisieren uns potenzielle Gefahren. Angst zieht die Aufmerksamkeit über ein vernünftiges Maß hinaus auf sich.

Neben diesen Emotionen ist die damit zusammenhängende „Sucht nach Skandalen“ ein weiterer Faktor, der hier zum Tragen kommt.[40] Aufmerksamkeit zu erzielen ist die zentrale Fähigkeit, die kognitive Maßnahmen mitbringen müssen, um erfolgreich zur Beeinflussung eingesetzt werden zu können. Dabei sind gerade die kleinen Inszenierungen oft sehr erfolgreich, da sie nicht offensichtlich als Beeinflussung wahrnehmbar sind. Im Entscheidungsprozess die Entscheidung zu beeinflussen, kann zweierlei Ergebnisse verfolgen. Wie bereits erwähnt geht es in erster Linie darum, Handlungen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Genauso kann aber auch die Intention zugrunde liegen, ein Unterlassen einer Handlung herbeizuführen. Zudem verursacht eine Überflutung mit Ängsten, dass man sich den wirklichen Bedrohungen nur noch unzureichend widmet.[41]

Im Theresianischen Führungsmodell ist die emotionale Komponente explizit nicht berücksichtigt, aber implizit in den verschiedenen Faktoren enthalten. Vor allem Entscheidungen und das daraus resultierende Führungshandeln zu verantworten, bedarf der Berücksichtigung emotionaler Einflussfaktoren. Zudem ist der Mensch das Element, das dieses Modell mit Leben erfüllt und somit der Träger der Emotion in diesem ist. Die Urteilsfindung auf der Entscheidungsebene folgt dem Modell nach Schiebener und Brand und beinhaltet somit auch das, durch Emotionen beeinflussbare, impulsive System.[42]

Kognitive Offenbarung – Gefahren und Chancen

„Der strenge Blick der Empörung führt zu […] einer Epidemie der Empfindlichkeit.“[43] Diese Empörung ist, neben den Emotionen bezogen auf Sexualität, Angst und Zorn, ein weiteres Einfallstor für kognitive Beeinflussungen. Sich über moralische Unzulänglichkeiten zu echauffieren – der sogenannte Hyperkonsequentialismus[44] – nimmt ebenfalls Gehirnzeit in Anspruch und führt dazu, von den richtigen Bedrohungen und den dafür notwendigen Entscheidungen und Handlungen abzulenken.

Aber nicht nur die Empörung hemmt beim Entscheiden, sondern auch das Ködern mit einer kognitiven Unvollständigkeit. Die Darstellung von Informationen, die wesentliche Fragen aufwerfen, führt zu einer Art „Wissensdurst“, der nicht unwesentliche Ressourcen binden kann.[45] Im Zusammenhang mit der Art und Weise, wie Informationen konsumiert werden, ergibt sich hier ein weiteres kognitives Element, welches in der kognitiven Kriegführung zum Einsatz gebracht werden kann. So wird in sozialen Netzwerken lediglich die Headline einer Nachricht konsumiert und nur sehr selten auch der dahinter liegende Text als Ganzes.[46] Hier stehen der Durst nach Informationen auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Art und Weise, wie Informationen – auch aufgrund der Fülle an Informationen – konsumiert werden, einander gegenüber. Das freie Spiel der Kräfte auf einem kognitiven Marktplatz fördert eine sehr realistische Sicht auf das Wesen des Menschen zu Tage. „Die Tatsache, dass unser Gehirn Aufmerksamkeit für jegliche egozentrische, auf Streit ausgerichtete, mit Sexualität oder Angst zusammenhängende Information entfaltet, zeichnet die Umrisse eines sehr realen Homo sapiens.“[47]

Aber nicht nur die Empörung hemmt beim Entscheiden, sondern auch das Ködern mit einer kognitiven Unvollständigkeit. Die Darstellung von Informationen, die wesentliche Fragen aufwerfen, führt zu einer Art „Wissensdurst“, der nicht unwesentliche Ressourcen binden kann.

Im Informationsumfeld spielen vor allem die modernen Medien eine große Rolle. Dabei werden bestimmte Narrative eingesetzt, um eine entsprechende Stimmungslage im Großen zu erzeugen.[48] Diese Stimmungslage führt zu einer eindeutigen Parteinahme für die eine oder andere Partei in einer Auseinandersetzung im kognitiven Kriegsgeschehen und erfolgt oft auf äußerst subtile Art und Weise. Sie beeinflusst, wie über ein Thema gedacht wird. Besonders wirksam sind diese Inhalte dann, wenn sie durch die Verknüpfung mit den drei Aufmerksamkeits-Auslösern (Sexualität, Angst und Zorn) gekennzeichnet sind. Narrative, die ein Empörungspotenzial beinhalten, wirken auf unterschiedlichsten Kanälen. Filme, Medienstatements von Personen des öffentlichen Lebens, Dokumentationen, Berichte, Nachrichten, YouTube-Kanäle und dergleichen werden hier als Träger von Botschaften und Narrativen eingesetzt.

Auch wenn die Aufmerksamkeit dadurch auf eine Thematik und die damit verbundenen Informationen gelenkt wurde, sind diese als Beeinflussung meist nicht direkt ansprechbar und wirken daher sehr unterschwellig.[49] Gefährlich sind nicht die offensichtlich propagandistischen Medien, sondern eben diese versteckten Botschaften, verborgen in „seriösem Kleid“. Sehr oft wirken die Beeinflussungen durch Einsatz von Symbolen. Diese Symbolik wirkt doppelt dadurch, dass sie stellvertretend für eine Haltung zum Einsatz kommen.[50] Vorteile erringt auf dieser Ebene jener, der zuerst seine Narrative an die Zielgruppen[51] kommunizieren kann. Der Kampf um die Gehirnzeit ist dann gewonnen, wenn die Zielgruppe die angebotenen Inhalte konsumiert und diskutiert. Dies gilt in einer kognitiven Auseinandersetzung gleichermaßen für alle Konfliktparteien. Das Wissen um diese Mechanismen – die kognitive Offenbarung – birgt also nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen in sich.

Wissenschaft und Kunst am kognitiven Gefechtsfeld

Die akademische Bildung in Zusammenhang mit dem Theresianischen Führungsmodell bietet einige Ansatzpunkte, um die Widerstandsfähigkeit in der kognitiven Kriegführung zu steigern. Die Rolle der Wissenschaft ist hier eine nicht unwesentliche. Das Militär hat im Zusammenhang mit nichtlinearen Denkansätzen, dem Umgang mit der Heuristik und dem Denken jenseits von Normen grundsätzlich eine Herausforderung zu bestehen. Die Sozialisation militärischer Führungskräfte folgt nach wie vor tradierten Wertemodellen, welche allerdings nicht auf alle Probleme anwendbar sind. Speziell bei komplexen Herausforderungen sind aber genau solche Denkmodelle für die Entscheidungsfindung erforderlich. „Alles Denken ist ja Kunst. Wo der Logiker den Strich zieht, wo die Vordersätze aufhören, die ein Resultat der Erkenntnis sind, wo das Urteil anfängt, da fängt die Kunst an.“[52] Eine wissenschaftlich-akademische Ausbildung/Bildung ist somit Vorbedingung für eine Urteilsbildung, für das Treffen einer Entscheidung beziehungsweise eines Entschlusses und darauf aufbauend für das Setzen der entsprechenden Handlungen. Dabei ist die Verbindung von Wissenschaft und Kunst offensichtlich.

Die akademische Bildung in Zusammenhang mit dem Theresianischen Führungsmodell bietet einige Ansatzpunkte, um die Widerstandsfähigkeit in der kognitiven Kriegführung zu steigern.

Die Implementierung des kritischen Geistes ist hier notwendig. Die Auswahl eines vertrauensvollen, kritischen Führungsgehilfen, oder eines Stabes im militärischen Umfeld, zur Überprüfung und Prüfung des eigenen Führungshandelns ist bei Machiavelli von besonderer Bedeutung. Meissner etwa spricht davon, einen Kritiker zu finden und zu versuchen, ihn zu verstehen.[53] Diese Person soll nach der Auffassung von Machiavelli Initiative und Intelligenz zeigen.[54] Hier beschreibt er das Zusammenspiel von Alpha – dem Entscheider in der Krise, der Führungskraft – und Omega – dem Verwalter, oder Manager – im Führungshandeln. Anleihe nimmt er am politischen System des Römischen Reiches. Die Führung im Frieden obliegt den Konsuln, den Tribunen und dem Senat; dies kann analog zum stabsdienstlichen Führungsverfahren im Militär von heute gesehen werden. Ist die Krise jedoch ausgebrochen und entsteht ein hoher Zeitdruck, so ist die Konzentration der Führungsentscheidung in der Person des Kommandanten (der jeweiligen Führungsebene) angezeigt. Dieses bereits genannte Kommandantenverfahren ist mit dem römischen Diktatoren-System in der Schilderung Machiavellis zu vergleichen.[55] Dieses System bedarf der Einsetzung eines kritischen Omegas als Rückkoppelung – im Sinne eines Konfliktes im Kleinen zur Generierung von brauchbaren Führungsentscheidungen – für die Führung in der Krise. Dieser kritische Geist des Beraters – im militärischen Sinne: des Stabsoffiziers oder Stellvertreters – ist vor der Entscheidung einzusetzen, nicht erst, wenn die Entscheidung bereits getroffen wurde und es um die Durchführung derselben geht.

Diese Andersartigkeit des kritischen, hinterfragenden Beraters, die durchaus als unbequem empfunden werden kann, zuzulassen, ist für die Entwicklung von Entscheidungskompetenz essenziell. „Ein Offizier, der voll von guten Ideen ist, aber keine Gelegenheit hat, Initiative zu beweisen, verbraucht allmählich seinen Energievorrat, wird apathisch und beginnt oberflächlich zu arbeiten.“[56] Hier setzt die akademische Bildung des Offiziers an, denn: „Zu dieser Initiative und Selbstständigkeit sind nur gebildete, entschlossene und willensstarke Offiziere fähig.“[57] Wissenschaft und Kunst bedingen einander in einem dialektischen Zusammenhang, eine Entscheidung basiert stets auf beidem.

Die potenziellen militärischen Führungskräfte sind daher schon in ihrer Grundausbildung mit alternativen (heuristischen) Lösungsmethoden zu konfrontieren und in deren Anwendung stets weiterzuentwickeln. Das Denken abseits von Checklisten und Schemata basierend auf einem einfachen Modell, welches situationsbedingt adaptiert werden kann, ist hier der zu verfolgende Ansatz. „In einer Gesellschaft, die sich an Menschen ausrichtet, darf nicht zu viel normiert werden, um abweichendes Denken und Verhalten nicht zu beschneiden.“[58] Dies bedingt auch eine akademische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Denk- und Lösungsansätzen. „Unsere wichtigste Waffe gegen das Schicksal [Anmerkung des Verfassers: die kognitive Beeinflussung] ist die gewaltige Komplexität unseres Gehirns.“[59] Die Kernfähigkeit des Gehirns im Zusammenhang mit der kognitiven Kriegführung ist es, „[…] mentale Objekte miteinander konkurrieren zu lassen […].“[60] Damit ist die gleichzeitige Betrachtung gegensätzlicher Denkmöglichkeiten gemeint.[61]

Ein Offizier, der voll von guten Ideen ist, aber keine Gelegenheit hat, Initiative zu beweisen, verbraucht allmählich seinen Energievorrat, wird apathisch und beginnt oberflächlich zu arbeiten.

Dialektik der Wissenschaft im Licht der kognitiven Kriegführung

Der Denkprozess einer Führungskraft setzt sich aus der sinnlichen Erkenntnis (der sinnlichen Erfahrung) und der rationalen Erkenntnis (dem abstrakten Denken) zusammen.[62] Ähnlich wie die Theorie die Praxis braucht, um das Denken in konkrete Handlungen zu transferieren, braucht die Empirie die Rationalität, um zu Problemlösungen zu gelangen. Die Versuchung, der Empirie eine überzeichnende Rolle zuzugestehen, ist groß.[63] Dinge quantifizierbar zu machen übt einen großen Reiz auf Führungskräfte aus. Führung an Ergebnissen festzumachen und diese auch noch messen zu können, ist dem Menschen eine starke Verlockung. „Doch in einer Gesellschaft, in der viele schlaue Apparaturen alles messen, ist es nicht leicht, den Tag anders zu bewahren als in Daten. Wer sich unentwegt misst, tritt zu sich selbst in eine exzentrische Position. Er behandelt sich selbst als Objekt, statt einfach nur zu sein.“[64]

Um mittels der Urteilskraft eine Entscheidung zu treffen, braucht es mehr als nur den messbaren Teil einer Problemstellung. Die Beurteilung, das Bewerten der empirisch erhobenen Daten, die Bedeutungssetzung der Fakten, ist der wesentliche Teil, um Entscheidungen treffen zu können. Denn es muss stets bewusst bleiben: „Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt, sondern nur die messbare Seite der Welt.“[65] Um das Messbare richtig einschätzen und bewerten zu können, ist die Rationalität im Sinne eines abstrakten Denkvermögens notwendig. Dieses abstrakte Denkvermögen bedarf einer entsprechenden (akademischen) Bildung. Bildung ist nach Precht immer auch Herzensbildung, die nicht nur auf Verstand und Vernunft basiert, sondern Fragen der Moral und Urteilsbildung miteinfließen lässt.[66] „Messen und Messbares richtig einzuschätzen ist eine Bildungsfrage.“[67] Hier geht es nicht nur um das Erkennen von vorliegenden Fakten, sondern um deren Interpretation und deren Zusammendenken zu möglichen Antworten auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit.

Um das Messbare richtig einschätzen und bewerten zu können, ist die Rationalität im Sinne eines abstrakten Denkvermögens notwendig.

Es geht „[…] von der lebendigen Anschauung zum abstrakten Denken und von diesem zur Praxis […].“[68] Nur auf das abstrakte Denkvermögen zurückzugreifen, ist genauso unvollständig für die Erarbeitung einer Problemlösung, wie sich nur der Empirie zuzuwenden. Erst das Aufbauen auf der Anschauung einer Situation ermöglicht es, dem abstrakten Denken eine Entscheidungsgrundlage zu liefern. Beides dient auf der Entscheidungs-Ebene des Theresianischen Führungsmodells der Sphäre der Wissenschaft, während die Urteilskraft zur Entscheidungsfindung, als kreativer Schaffungsakt, der Sphäre der Kunst zuzuordnen ist. „[…] wo Schaffen und Hervorbringen der Zweck ist, da ist das Gebiet der Kunst; die Wissenschaft herrscht, wo Erforschen und Wissen das Ziel ist.“[69]

Das Theresianische Führungsmodell verbindet also zum einen Wissenschaft und Kunst, zum anderen die Empirie mit der Rationalität. Die Offenheit des Modells und dessen Anwendung geht Hand in Hand mit der akademischen Bildung der Führungskräfte, welche dieses zur Anwendung bringen sollen. Damit einerseits eine kognitive Einflussnahme nicht verhindert wird, aber andererseits in ihrer Wirkung stets begrenzt bleibt. Diese Bildungskomponente hat, wie bereits kurz angedeutet, auch eine hohe Relevanz für den Umgang mit Technologien, die auch zur Unterstützung der Entscheidungsfindung herangezogen werden können, oder diese gänzlich zu übernehmen imstande sind.

Kognitive Kriegführung, Information und Wirkung

Die kognitive Kriegführung stützt sich in erster Linie auf Informationen als Wirkmittel ab. Informationen sind damit die zentrale Ressource im Informationsumfeld. Die Beeinflussung des Denkens ist aber nicht nur von Informationen abhängig, sondern auch von den Informationskanälen (sowie der dahinter liegenden Technologie) und letztlich darauf aufbauend auch von deren Wirkung. Führungskräfte arbeiten, bewusst oder unbewusst, bei der Entscheidungsfindung mit verschiedenen Führungsverfahren, -prozessen oder -modellen. Diese helfen komplexe Herausforderungen einer Lösung zuzuführen. Die Modelle verarbeiten Informationen in unterschiedlicher Qualität und auf verschiedenen Ebenen.

Führungskräfte arbeiten, bewusst oder unbewusst, bei der Entscheidungsfindung mit verschiedenen Führungsverfahren, -prozessen oder -modellen.

Aber nicht nur Führungskräfte bilden sich ein Urteil mittels eines Prozesses. Jeder Mensch bildet sich seine Urteile anhand von verfügbaren Informationen mittels eines, abhängig vom emotionalen Einfluss, mehr oder weniger rationalen Verfahrens. Dabei haben quantifizierbare Informationen einen besonderen Reiz hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit. Noch stärker wirken jedoch Bilder. Die Informationen dienen dazu, unser Denken zu beeinflussen. Es geht darum, zu bestimmen, was und wie gedacht wird. Führungsmodelle verfügen über kognitive Angriffspunkte, die eine Beeinflussung sowohl im Denken als auch in der Planung ermöglichen. Das hat letztlich auch eine Auswirkung über die Entscheidungsfindung hinaus in die konkrete Umsetzung von Handlungen hinein.

Diese kognitive Verwundbarkeit findet sich auch im Theresianischen Führungsmodell wieder. Informationen dienen hier als Basis dafür, zunächst ein Problem zu identifizieren, danach Führung, ausgehend vom abstrakten Denken hin zu einem konkreten Tun, zu ermöglichen und schließlich, nach Erfassung und Bewertung der Informationen, eine Entscheidung herbeizuführen, die das Problem adressiert. Kognitive Kriegführung kann das Führungsmodell bei der Problemerkennung, der Führungshandlung oder der Entscheidungsfindung empfindlich stören oder beeinflussen. Der Informationsraum, als der Faktor Raum im Modell, ist hinsichtlich der vorhandenen Informationen durch das Denken so zu erschließen, dass die Ausgangssituation auf der Verstandesebene so aufbereitet werden kann, dass die Informationen hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit geprüft wurden.

Diese Prüfung wird durch die Bewertung auf der Vernunftebene nochmals überlagert. Dies ist nur dann sicherzustellen, wenn die Informationen immer aus unterschiedlichen Perspektiven einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Dazu benötigt es Führungskräfte, welche über eine entsprechende Bildung verfügen. Die unterschiedlichen Rollen einer Führungskraft, die auf einer fundierten akademischen Basis aufbauen, helfen dabei. Es braucht neben der spezifisch militärischen Kompetenz auch eine etwas allgemeinere Expertise zu den Aufgaben als Führungskraft und darüber hinaus auch noch eine generalistische Bildungsbasis, die über das Militärische hinausreicht. Die Dialektik von Wissenschaft und Kunst einerseits und der dialektische Zusammenhang zwischen Empirie und Rationalität andererseits versetzt Führungskräfte in die Lage, eine erhöhte Resilienz der militärischen Führung im Rahmen der kognitiven Kriegführung zu erzielen. Nicht zu vergessen bleibt die Einbindung gebildeter und kritischer Berater, die es ermöglichen, auch eine entsprechende Außensicht miteinzubeziehen.

Es braucht neben der spezifisch militärischen Kompetenz auch eine etwas allgemeinere Expertise zu den Aufgaben als Führungskraft und darüber hinaus auch noch eine generalistische Bildungsbasis, die über das Militärische hinausreicht.

Was charakterisiert nun erfolgreiche Führung im Informationsumfeld? Erfolgreiche Führung erkennt Probleme und führt diese einer Lösung zu, um Ziele zu erreichen. Dabei ist der Blick auf das Wesentliche zu richten und die Involvierung der Führungskraft direkt in das Problem zu verhindern. Es geht hier also um die Balance zwischen Führungsmoment (dem Auslöser für eine Führungshandlung), der Entscheidungsdistanz (sich also nicht im Detail/Problem zu verlieren) und der daraus resultierenden Führungsruhe (um mittels der Urteilskraft rechtzeitig Entscheidungen zu treffen).[70] Dieser Erfolg basiert auf einer ausgeprägten Führungskompetenz, die vieles vom bereits Beschriebenen beinhaltet.

Faktoren des Führungserfolges; Source: Verfasser

Entscheidungsfreude, die getragen wird von der Umsetzung des Theresianischen Führungsmodells, steht dabei in Wechselwirkung mit einer ausgeprägten Menschenorientierung, die es ermöglicht, die oben genannte Außensicht in die Entscheidung einzupflegen, aber auch die richtigen Menschen mit der Umsetzung zu beauftragen. Als dritter Faktor ist in diesem Zusammenhang noch die Adaptionsfähigkeit zu nennen, welche es erlaubt, die Dialektik zwischen Verstand und Vernunft bestmöglich zu nutzen.

Faktoren der Führungskompetenz; Source: Verfasser

„Die Kriegskunst im eigentlichen Sinn wird also die Kunst sein, sich der gegebenen Mittel im Kampf zu bedienen, und wir können sie nicht besser als mit dem Namen Kriegführung bezeichnen.“[71] Dieses Mittel, welches einerseits das vorrangige Ziel der kognitiven Kriegführung ist, ist andererseits auch gleichzeitig die stärkste Waffe im Kampf um die Informationsüberlegenheit. Das Gehirn repräsentiert, um auf das Theresianische Führungsmodell zurückzugreifen, zum einen Raum und Kraft auf der Problemebene, zum anderen Denken und Planen auf der Führungsebene und schließlich Verstand und Vernunft auf der Entscheidungsebene. „Der Hang zur kognitiven Demagogie, zur Faszination durch das Negative oder ganz allgemein zu den Aspekten, die der dunklen Seite der kognitiven Apokalypse zum Sieg verhelfen, ist zwar stark, aber, das sei hier nochmals mit aller Entschiedenheit gesagt, wir können ihm auch widerstehen.“[72]


Oberst des Generalstabsdienstes Professor (FH) Ing. Mag. (FH) Georg Kunovjanek, MSD PhD; Forschungsinteresse: Führungskraft, Führungsverfahren und Führung im Cyberspace. Publikationen: Georg Kunovjanek, Georg Maier, Von der Führung – Das „neue“ Theresianische Führungsmodell (Berlin: Miles-Verlag, 2023). Georg Kunovjanek, Cyber – Die Domäne der vernetzten Unsicherheit (Berlin: Miles-Verlag, 2021). Akademisches Betätigungsfeld: Leiter des Instituts für Offiziersausbildung und Studiengangsleiter des Fachhochschul-Bachelorstudienganges „Militärische informations- und kommunikationstechnologische Führung“. Bei den in diesem Artikel vertretenen Ansichten handelt es sich um die des Autors. Diese müssen nicht mit jenen des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung übereinstimmen.


[1] Georg Kunovjanek, Georg Maier, “Das neue Theresianische Führungsmodell,” Armis et Litteris, Band 37, (Wiener Neustadt: 2022), 58-60.

[2] Ibid., 52-57.

[3] Idem.

[4] Immanuel Kant, “Kritik der reinen Vernunft,” (Stuttgart: Philipp Reclam 1966), 120.

[5] BMLV (Hrsg.), “Einsatz im Informationsumfeld,” Querschnittskonzept, (Wien: Eigenverlag, 2023), 15-18.

[6] Ibid., 15-16.

[7] Georg Kunovjanek, Georg Maier, “Vom neuen Theresianischen Führungsmodell,” The Defence Horizon Journal, (Published May 02, 2023), 19.

[8] Georg Kunovjanek, “Vom Wert der Information im Krieg,” The Defence Horizon Journal, (Published October 21, 2022), 9.

[9] Matthias Burchardt, “Geistlose Traumfabriken – Phantasmagorien der Bildungsreform,” in Als ob! Die Kraft der Fiktion, Philosophicum Lech, Konrad P. Liessmann (Ed.), (Wien: Paul Zsolnay Verlag 2022), 73.

[10] Georg Kunovjanek, “Vom Wert der Information im Krieg,” The Defence Horizon Journal, (Published October 21, 2022), 13.

[11] BMLV (Hrsg.), “Einsatz im Informationsumfeld,” Querschnittskonzept, (Wien: Eigenverlag, 2023), 29.

[12] Ibid., 28-29.

[13] Idem.

[14] Idem.

[15] Idem.

[16] Gérald Bronner, “Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft,” (München: C.H. Beck Verlag 2022).

[17] Anton Zeilinger, “Jederzeit selbst zu denken, das ist die Maxime,” Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele, in Kleine Zeitung (Published July 28, 2023), 2-3.

[18] Idem.

[19] Idem.

[20] Robert Greene, “33 Gesetze der Strategie,” (München: Hanser Verlag 2023), 89.

[21] Idem.

[22] Idem.

[23] Ibid., 148.

[24] Georg Kunovjanek, Georg Maier, “Von der Führung – Das „neue“ Theresianische Führungsmodell. Denkanstöße zu einem reduzierten Führungsprozess in einer komplexen Umwelt,” (Berlin: Miles-Verlag 2023), 29.

[25] Idem.

[26] Ibid., 108.

[27] Ibid., 109.

[28] Idem.

[29] Ansgar Rieks, “Geistiger Stillstand ist Rückschritt: Gedanken zu „Bildung und Offizierberuf,“ (Hamburg: 2021), 6.

[30] Johannes Schiebener, Matthias Brand, “Decision Making Under Objective Risk Conditions – a Review of Cognitive and Emotional Correlates, Strategies, Feedback Processing, and External Influences,” in Neuropsychological Review 25, 171–198.

[31] Ibid., 175-176.

[32] BMLVS, “DVBH Taktisches Führungsverfahren,” (Wien: Eigenverlag 2012), 17.

[33] Gérald Bronner, “Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft,” (München: C.H. Beck Verlag 2022), 103.

[34] Ibid., 140.

[35] Ibid., 24.

[36] Johannes Schiebener, Matthias Brand, “Decision Making Under Objective Risk Conditions – a Review of Cognitive and Emotional Correlates, Strategies, Feedback Processing, and External Influences,” in Neuropsychological Review 25, 185.

[37] Idem.

[38] Gérald Bronner, “Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft,” (München: C.H. Beck Verlag 2022), 95.

[39] Ibid., 80-81.

[40] Ibid., 96.

[41] Ibid., 88.

[42] Johannes Schiebener, Matthias Brand, “Decision Making Under Objective Risk Conditions – a Review of Cognitive and Emotional Correlates, Strategies, Feedback Processing, and External Influences,” in Neuropsychological Review 25, 186.

[43] Gérald Bronner, “Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft,” (München: C.H. Beck Verlag 2022), 104.

[44] Ibid., 102.

[45] Ibid., 115.

[46] Ibid., 139.

[47] Ibid., 140.

[48] Georg Kunovjanek, “Vom Wert der Information im Krieg,” The Defence Horizon Journal, (Published October 21, 2022), 15.

[49] “Defending Ukraine: Early Lessons from the Cyber War,” Microsoft, accessed July 30, 2022, https://query.prod.cms.rt.microsoft.com/cms/api/am/binary/RE50KOK, 12.

[50] Georg Kunovjanek, “Vom Wert der Information im Krieg,” The Defence Horizon Journal, (Published October 21, 2022), 5.

[51] “Defending Ukraine: Early Lessons from the Cyber War,” Microsoft, last accessed July 30, 2022, https://query.prod.cms.rt.microsoft.com/cms/api/am/binary/RE50KOK, 13.

[52] Carl von Clausewitz, “Vom Kriege,” (Hamburg: Nikol Verlag 2016), 135.

[53] Philip Meissner, “Entscheiden ist einfach,” (Frankfurt am Main: Campus Verlag 2019), 77-80.

[54] Niccolo Machiavelli, “Der Fürst,” (Stuttgart: Kröner Verlag 1978), 96-97.

[55] Niccolo Machiavelli, “Discorsi, Gedanken über Politik und Staatsführung,” (Stuttgart: Kröner Verlag 1977), 96-97.

[56] D. A. Iwanow, W. P. Saweljew, P.W. Schemanski, “Grundlagen der Truppenführung,” (Berlin: Militärverlag der DDR 1973), 146-147.

[57] Idem.

[58] Richard David Precht, “Jäger, Hirten, Kritiker – Eine Utopie für die digitale Gesellschaft,” (München: Goldmann Verlag 2018), 199.

[59] Gérald Bronner, “Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft,” (München: C.H. Beck Verlag 2022), 248.

[60] Idem.

[61] Idem.

[62] D. A. Iwanow, W. P. Saweljew, P.W. Schemanski, “Grundlagen der Truppenführung,” (Berlin: Militärverlag der DDR 1973), 227.

[63] Georg Kunovjanek, Georg Maier, “Von der Führung – Das „neue“ Theresianische Führungsmodell. Denkanstöße zu einem reduzierten Führungsprozess in einer komplexen Umwelt,” (Berlin: Miles-Verlag 2023), 108.

[64] Richard David Precht, “Jäger, Hirten, Kritiker – Eine Utopie für die digitale Gesellschaft,” (München: Goldmann Verlag 2018), 160.

[65] Idem.

[66] Ibid., 171.

[67] Idem.

[68] D. A. Iwanow, W. P. Saweljew, P.W. Schemanski, “Grundlagen der Truppenführung,” (Berlin: Militärverlag der DDR 1973), 227.

[69] Carl von Clausewitz, “Vom Kriege,” (Hamburg: Nikol Verlag 2016), 135.

[70] Georg Kunovjanek, Georg Maier, “Von der Führung – Das „neue“ Theresianische Führungsmodell. Denkanstöße zu einem reduzierten Führungsprozess in einer komplexen Umwelt,” (Berlin: Miles-Verlag 2023), 59.

[71] Carl von Clausewitz, “Vom Kriege,” (Hamburg: Nikol Verlag 2016), 106.

[72] Gérald Bronner, “Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft,” (München: C.H. Beck Verlag 2022), 248.

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