Abstract: Die Grande Nation Frankreich ist seit der Operation Serval (2013 bis 2014) ein wesentlicher Truppensteller zur Aufrechterhaltung der Sicherheitslage im Azawad im Norden Malis. Die zunehmende Verschlechterung der Sicherheitslage aufgrund der instabilen politischen Situation ist Grund für den mangelhaften Zugangs zu Wasser und Nahrungsmitteln. Die Ankündigung von Frankreichs Präsident Macron 2.000 Soldaten aus der Sahelzone abzuziehen und das in den Medien kolportierte Engagement Putins Schattenarmee „Wagner“ zum Einsatz zu bringen, kann sowohl ein Game-Changer sein als auch ein Risiko in sich bergen.
Bottom-line-up-front: Die Reduzierung der Operation Barkhane und das Setzen eines (ersten) Fußabdruckes der Wagner-Gruppe in der Sahelzone könnte auch die internationalen Missionen in Bedrängnis bringen. Wie kann die Lage vor Ort stabilisiert werden, um das Engagement der internationalen Staatengemeinschaft weiterhin zu gewährleisten?
Problemdarstellung: Wie wird sich die Sicherheitslage in Mali aufgrund eines Engagements der Wagner-Gruppe verändern? Wie werden sich andere Staaten im Verbund von MINUSMA und EUTM verhalten?
Was nun?: Die Diplomatie ist gefordert diese Situation aufzulösen. Unter Einbeziehung einer (gewählten, legitimierten) Malischen Regierung und der Internationalen Organisationen (VN, EU, ECOWAS, AU) muss ein Konsens auf diplomatischer Ebene in Kohärenz mit der Sicherheitslage gefunden werden, um die Sicherheit der Malier zu gewährleisten.
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Ein Sicherheitsvakum im Sahel
Die Sicherheitslage in der Sahelzone im Allgemeinen und Mali im Speziellen ist ein Jahrzehnt nach der Krise von 2012, als eine neue Rebellion im Norden begann und der Rückzug der malischen Streitkräfte es einer Koalition dschihadistischer Gruppen ermöglichte den Azawad zu besetzen, weiterhin besorgniserregend. Die französische Intervention im Januar 2013 (Operation Serval) befreite wichtige Städte im Zentrum von der dschihadistischen Besetzung, doch die Krise hielt an und weitete sich aus. Der Konflikt gab Anlass zu mehreren Sicherheits- und Stabilisierungsbemühungen, obwohl die Gewalt jedes Jahr zunahm und sich weiter auf neue Gebiete ausdehnte.[1]
Dschihadistische Gruppen, die mit Al-Qaida und später mit dem Islamischen Staat verbunden waren, wurden zunächst in Mali aktiv und sind inzwischen in mehreren westafrikanischen Staaten präsent. Nach ihren Anfängen im Norden Malis dehnten sich gewalttätige extremistische Organisationen allmählich auf das zentrale und südliche Mali, Niger, Burkina Faso (besonders im Nordwesten) und, in jüngster Zeit, auch auf den Norden der Elfenbeinküste und Nordbenin aus. Dies ist das Ergebnis einer Kombination von Faktoren. Beispielhaft ist hier die Fähigkeit dschihadistischer Gruppen Verbindungen zu Akteuren aufzubauen, die ein Interesse an einer Destabilisierung haben, und die Unfähigkeit dieser Staaten, schnell und wirksam auf die gestiegene Militanz in Teilen ihres Territoriums zu reagieren
Dschihadistische Gruppen, die mit Al-Qaida und später mit dem Islamischen Staat verbunden waren, wurden zunächst in Mali aktiv und sind inzwischen in mehreren westafrikanischen Staaten präsent.
Ein neuer Akteur – Die Wagner Gruppe
Seit im September 2021 bekannt wurde, dass die malische Regierung einen Vertrag mit der russischen privaten Militärfirma Wagner abschließen will, haben Frankreich und andere europäische Staaten das Thema zu einem Schwerpunkt ihrer diplomatischen Aktivitäten gemacht. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika haben ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Die malischen Übergangsbehörden, die seit August 2020 aus zwei Staatsstreichen hervorgegangen sind, haben offenbar über die Entsendung von bis zu 1.000 russischen Söldnern nach Mali verhandelt, um dort Ausbildungs-, Schutz- und Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen durchzuführen. Die Kosten für dieses Engagement könnten bei mehr als 10 Millionen Euro pro Monat liegen.[2]
Die malischen Übergangsbehörden haben offenbar über die Entsendung von bis zu 1.000 russischen Söldnern nach Mali verhandelt.
Das Außenamt der Vereinigten Staaten von Amerika konstatiert für die Wagner-Gruppe von Yevgeniy Prigozhin, bekannt für destabilisierende Aktivitäten und Menschenrechtsverletzungen, dass diese in Mali keinen Frieden bringen, sondern das Land weiter destabilisieren werden[3]. Prigozhin selbst ist von den USA, dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union im Zusammenhang mit seinen Geschäften mit dem Verteidigungsministerium der Russischen Föderation mit Sanktionen belegt. Die Wagner-Gruppe, die ebenfalls von den Vereinigten Staaten sanktioniert wurde, ist in Missbräuche und Handlungen verwickelt, die den Frieden, die Sicherheit, die Stabilität, die Souveränität und die territoriale Integrität der Zentralafrikanischen Republik bedrohen. In der Zentralafrikanischen Republik haben Elemente der Wagner-Gruppe Mitglieder der überwiegend muslimischen Peuhl-Gemeinschaften außergerichtlich ermordet.[4]
Auch die Europäische Union hat die Wagner-Gruppe und elf ihrer Mitglieder im Dezember 2021 wegen ihrer Aktivitäten in der Ukraine, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und Syrien mit Sanktionen belegt. Länder, in denen die Wagner-Gruppe innerhalb ihrer Grenzen operiert, werden ärmer, schwächer und unsicherer. Die genannten Fälle sind Beispiele für die nachteiligen Auswirkungen. Die Wagner-Truppen schürten in diesen Ländern Konflikte, erhöhten die Unsicherheit und Instabilität, führten zum Tod von Soldaten und Zivilisten vor Ort und untergruben die nationale Souveränität. Weiters wurden die jeweiligen Staatskassen erschöpft und wichtige Ressourcen beschlagnahmt, die für den Ausbau der Fähigkeiten der eigenen Streitkräfte hätten verwendet werden können.[5]
Barkhane, Serval und Sabre
Durch die Ankündigung Emmanuel Macrons die von Frankreich geführte Militäroperation zur Bekämpfung des transnationalen, islamistischen Terrorismus „Barkhane“ um 2.000 Soldaten zu reduzieren, liegt es nahe, dass dieses Vakuum durch die Wagner-Gruppe gefüllt werden soll. Ob diese quantitativ und qualitativ dazu in der Lage sein wird bleibt abzuwarten. Langfristig jedoch sollte die Operation Barkhane durch die G5 Sahel Joint Force abgelöst werden.[6] Dies stellt eine Regionalorganisation aus Mali, Mauretanien, Niger, Burkina Faso und dem Tschad dar, welche unter anderem auch für die Sicherheit zuständig sein sollen.
Langfristig jedoch sollte die Operation Barkhane durch die G5 Sahel Joint Force abgelöst werden.
Die von Frankreich geführte Operation Barkhane folgte im August 2014 auf die Operation Serval, allerdings mit einem größeren geografischen Schwerpunkt auf die Sahel-Zone um Mali. Ihr Hauptquartier befindet sich in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad. Sie verfügt über Kampfflugzeuge und Stützpunkte für nachrichtendienstliche Ermittlungen und Operationen. Im Norden Malis sind 1.500 Soldaten stationiert, welche sich auf den Stützpunkt in Gao, Kidal, Timbuktu und Tessalit und Gossi verteilen (Die Basen wurden teilweise bereits an die Malische Armee übergeben).
Frankreichs Sondereinsatzkommando für die Region, Operation Sabre, befindet sich in Burkina Faso. Die Operation Barkhane ist mit einem Budget von fast 600 Millionen Euro pro Jahr die größte französische Auslandsoperation. Sie reicht von kampfkräftigen Patrouillen an der Seite der malischen Streitkräfte und der Partnermilizen über die Sammlung von Informationen und die Ausbildung bis hin zu lokalen Entwicklungsmaßnahmen, mit denen die Lücke geschlossen werden soll, die eine abwesende Regierung hinterlassen hat. Trotz dieses Spektrums betonen französische Beamte, dass die Priorität von Barkhane in der Terrorismusbekämpfung liegt. Es wurden Operationen zur Tötung wichtiger Dschihadistenführer durchgeführt, darunter zwei der fünf Gründungsmitglieder der Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime (Jama’at Nusrat al-Islam wa al-Muslimeen, JNIM) sowie Almansour Ag Alkassoum.[7]
Ein Ausbildungseinsatz – oder mehr?
Ende Dezember 2021 sollen mindestens 500 Paramilitärs der russischen Wagner-Gruppe in Bamako, der Hauptstadt Malis, eingetroffen sein. Die Soldaten werden nach Angaben lokaler Medien an zehn Standorten in dem westafrikanischen Land eingesetzt. Umgehend gaben 15 europäische Länder (darunter Frankreich und Deutschland) bekannt, dass sie den Einsatz von Söldnern auf malischem Gebiet verurteilten und warnten, dass sich die Sicherheitslage in Westafrika dadurch weiter beeinträchtigen könnte. Auch werde sich die Menschenrechtslage in Mali verschlechtern und das Abkommen für Frieden und Versöhnung in dem Land gefährden.[8] In einer anschließend veröffentlichten Erklärung wies die Regierung von Mali diese Behauptungen über den angeblichen Einsatz von Elementen einer privaten Sicherheitsfirma in Mali offiziell zurück. Es wurde jedoch bekräftigt, dass russische Ausbilder in Mali sind, welche die Einsatzfähigkeit der nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte sicherstellen.[9]
In einer anschließend veröffentlichten Erklärung wies die Regierung von Mali diese Behauptungen über den angeblichen Einsatz von Elementen einer privaten Sicherheitsfirma in Mali offiziell zurück.
Hans Meier; Forschungsinteressen in den Bereichen der privaten Sicherheitsdienstleister (Private Military Company), der ECOWAS Staaten in Westafrika im Allgemeinen und Mali sowie Burkina Faso im Speziellen. Bei den in diesem Artikel vertretenen Ansichten handelt es sich um die des Autors.
[1] Clemence Dogniez, “Evolution of the French Anti-Terrorist Strategy in the Sahel,” The Defence Horizon Journal, last accessed January 05, 2021, https://www.thedefencehorizon.org/post/evolution-of-the-french-anti-terrorist-strategy-in-the-sahel.
[2] “Russia, Wagner Group, and Mali: How European fears weaken European policy”, European Council of Foreign Relations, last modified December 2, 2021, https://ecfr.eu/article/russia-wagner-group-and-mali-how-european-fears-weaken-european-policy/.
[3] US Department of the State, “Potential Deployment of the Wagner Group in Mali,” last accessed January 10, 2022, https://www.state.gov/potential-deployment-of-the-wagner-group-in-mali/.
[4] “Potential Deployment of the Wagner Group in Mali”, Press statement, last modified December 15, 2021, https://www.state.gov/potential-deployment-of-the-wagner-group-in-mali/.
[5] Idem.
[6] Clemence Dogniez, “Evolution of the French Anti-Terrorist Strategy in the Sahel,” The Defence Horizon Journal, last accessed January 05, 2021, https://www.thedefencehorizon.org/post/evolution-of-the-french-anti-terrorist-strategy-in-the-sahel.
[7] “Operation Barkhane”, last modified not specified, https://ecfr.eu/special/sahel_mapping/operation_barkhane.
[8] “500 Wagner paramilitaries reportedly enter Mali amid controversy”, AA, last modified December 25, 2021, https://www.aa.com.tr/en/africa/500-wagner-paramilitaries-reportedly-enter-mali-amid-controversy/2457079.
[9] “Mali denies deployment of Russian mercenaries from Wagner Group”, France 24, last modified December 25, 2021, https://www.france24.com/en/africa/20211225-mali-denies-deployment-of-russian-mercenaries-from-wagner-group.