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Mens agitat molem – Bedeutung und Pflicht für Spitzen-Führungskräfte im Umgang mit Innovationen

Abstract: Gründe für das Scheitern von Innovationen zur Weiterentwicklung der Streitkräfte sind vielfältig. Voraussetzungen für Soldatinnen und Soldaten sind im Umfeld der Organisation jedoch geschaffen, um schlummernde und unerkannte Innovationspotenziale zu fördern. Mut, Umgang mit Komplexität, Entscheidungen im Ungewissen und Fehlertoleranz sind seit jeher Bestandteil der Führungsphilosophie der Bundeswehr. Die sogenannte Innere Führung beschreibt dies und fordert es sogar ein. Die Führungsakademie der Bundeswehr verfügt hierbei über ein Alleinstellungsmerkmal, denn dort kommen Offiziere und Zivilangestellte aus dem Verteidigungsministerium und der Bundeswehr mit einem hohen Maß an militärisch relevanter Erfahrung zur Ausbildung zusammen. Dieses Merkmal macht es möglich, Erfahrung und Innovation zu verbinden. Die Schaffung eines innovationsfördernden Umfelds ist auch anderen Orts möglich und vornehmliche Aufgabe von Führungskräften, wenn man sich bewährte Grundsätze immer wieder einmal vergegenwärtigt.

Problemdarstellung: Sind sich Führungskräfte der Bundeswehr ihrer Rolle und Verantwortung bei der Weiterentwicklung der Streitkräfte bewusst und welche Maximen der bewährten Führungsphilosophie gewinnen zunehmend an Bedeutung?

Bottom-line-up-front: Innovationen werden nicht ausschließlich von großen Unternehmen gemacht. Auch innerhalb der Bundeswehr schlummert viel Potenzial, das es zur Weiterentwicklung der Streitkräfte zu entdecken und fördern gilt. Nur mit Neugier, Mut und einem gesunden Maß an Risikobereitschaft wird es gelingen, Bewährtes zu hinterfragen und Neues für die Konflikte von morgen zu entwickeln.

Was nun?: Weiterentwicklung basiert auf dem Hinterfragen des Bekannten. Wie trage ich zu einem innovationsförderlichen Umfeld innerhalb meines Aufgabenfeldes bei? Kenne und fördere ich angemessen die Potenziale meiner Anvertrauten für das gemeinsame Ziel?

Statue Moltke

www.shutterstock.com/Luthfi Syahwal

Eines der wertvollsten Güter unserer Streitkräfte ist der Geist. Die zivilen und militärischen Angehörigen sorgen mit ihren kreativen Ideen und Ansätzen für die Innovationen, die das Militär revolutionieren. An der Führungsakademie der Bundeswehr, als höchste militärische Bildungseinrichtung, werden zivile und militärische Spitzen-Führungskräfte unter anderem in dieser geistigen Leistung ausgebildet.

Mit diesem Anspruch möchten wir diejenige Führungspersönlichkeit ausbilden und erziehen, die auch unter einem hohen Maß an Ungewissheit und Komplexität, die soziale, charakterliche und fachliche Kompetenz mitbringt, zu nachvollziehbaren Lösungen zu kommen und diese in ein verantwortungsbewusst zielgerichtetes Handeln umsetzen kann. Zum Gestalten gehört immer auch eine Bereitschaft Fehler zu machen und zuzulassen, um daraus für die Zukunft zu lernen und die Streitkräfte besser zu machen.

Entscheiden und Handeln allein reicht jedoch nicht aus, um im schnelllebigen gesellschaftlichen und politischen Umfeld, in dem sich auch Streitkräfte bewegen, zu richtigen Ableitungen und Lösungen zu kommen. Es gilt, das eigene Denken sowie Strukturen und Prozesse stets zu reflektieren und aktiv das Gesamtsystem weiterzuentwickeln. Dies bedeutet jedoch nicht, bislang gängige Denkweisen und Praktiken generell abzuschaffen beziehungsweise bedingungslos jede Veränderung und Innovation anzunehmen. Vielmehr kommt es darauf an, Bewährtes neu zu überdenken und in verändernden Kontexten zu betrachten: Dazu gehören Neugier, Mut und ein gesundes Maß an Risikobereitschaft, um in letzter Konsequenz als militärische Führungskraft auch auf dem Gefechtsfeld überlegen zu sein.

Mit diesen Gedanken wird ein Idealbild des (mit-)denkenden Offiziers beschrieben, der im Clausewitz´schen Sinne, Truppenführung als „Kunst“ und die taktische Überraschung als Imperativ zur beständigen Adaption und Antizipation zur Anwendung bringt. Aber Hand aufs Herz: Wird mit diesen historischen und exklusiv militärischen Gedanken ein Denken und ein verbindliches Leitbild an der Führungsakademie beschrieben, das einem dynamischen Neudenken mit dem Ziel der Weiterentwicklung entspricht? Wir sagen NEIN – denn Clausewitz und Innovation, das geht!

Militärisches Handeln unter Unsicherheit erfordert geistige Beweglichkeit, Mut und Adaptivität. Innovation zu denken – und das daran ausgerichtete Handeln – ist zuhöchst kreativ, dynamisch und reflexiv: Beides „zusammen“ steht für eine bestmögliche Umsetzung.

“Innovation distinguishes between a leader and a follower.”

Steve Jobs

An der Führungsakademie werden vermutlich nicht die zukünftigen Steve Jobs ausgebildet, aber offen denkende und aufmerksame Führungskräfte, die Ideen in ihren Einheiten, Verbänden und Institutionen erkennen, zulassen und fördern. Diese Unterstützung allein reicht aber nicht aus, um Innovationen zu etablieren, sondern die Umsetzung ist entscheidend.

„Perspektivwechsel sind zentral, um besser zu werden. „Einfach mal machen“, etwas Neues auszuprobieren, ist dabei ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg.“

– Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr –

Erfolgreich sind wir dann, wenn die Absolvierenden zu „Möglichmachern“ von Innovation in ihren zukünftigen Verwendungen werden, das heißt mit Empathie, Präsenz, Vorbild und Neugier Räume schaffen, in denen es um die bessere Idee und deren Umsetzung geht. Immer wieder müssen wir uns vergegenwärtigen, dass Anvertraute ihre dienstlich und zivil erworbenen Kompetenzen in die Dienstgestaltung einbringen dürfen und sollen.

Allerdings wissen wir nicht immer, welche Potenziale in unserer Organisation schlummern. Einige von ihnen sind identifiziert und werden mitunter als Intrapreneure bezeichnet. Dies sind Angehörige der Bundeswehr, deren Potenzial innerhalb der Organisation zur Beschleunigung von Innovationen beitragen kann. Der amerikanische Autor Giffort Pinchot III. beschrieb dies 1985 wie folgt:

Intrapreneurs are “entrepreneurial-thinking people within existing firms who are crucial as they think across the boundaries of organizational units”.

– Giffort Pinchot III. –

Neben einer Weiterentwicklung innerhalb der Bundeswehr sind Auswirkungen auf Motivation, Zufriedenheit beim Personal und Organisationskultur insgesamt zu erwarten – letztlich ein Beitrag zur Arbeitgebermarke “Bundeswehr“.

Oberleutnant Marc Wietfeld bei der Vorstellung seiner Innovation an der Führungsakademie der Bundeswehr.

Oberleutnant Marc Wietfeld bei der Vorstellung seiner Innovation an der Führungsakademie der Bundeswehr. (Quelle: Bundeswehr)

Ein solcher Intrapreneur besuchte jüngst die Führungsakademie und stellte seinen Prototyp zum Infanterierobotersystem als „fahrende Skizze“ den Teilnehmenden aus Stammpersonal, Lehrgängen sowie zugeschalteten Vertretern vor. „ARX Landsysteme meets Führungsakademie“ lautete der Titel der Intrapreneur-Veranstaltung von Oberleutnant Marc Wietfeld samt Projektteam. Bei ARX Landsysteme handelt es sich um ein sogenanntes Early-Stage Defence Start-Up, das aus dem GEREON-Forschungsprojekt der Universität der Bundeswehr München hervorging. ARX besteht aus einem Team von militärischen Führungskräften, Forschenden und Ingenieursberufen, die die Bundeswehr mit technischen und innovativen Konzepten unterstützt.

Der Prototyp des Stör- und Täuschsystems

Der Prototyp des Stör- und Täuschsystems (Quelle: Bundeswehr)

Den Veranstaltungsbeginn führten die Stabsoffiziere des Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGAN) 2020 und verknüpften Inhalte mit Erfahrungen. Bei der Vorführung des GEREON beeindruckte das ferngesteuerte System die Anwesenden mit Licht, Geräuschen und auch Nebel. Der Roboter wurde zur gezielten gegnerischen Täuschung bei Landeinsätzen entwickelt. Im Anschluss brachten sich die Teilnehmenden über die Methode des World Cafès mit Ideen zur Weiterentwicklung dieses Prototyps ein. Die Ergebnisse zu den Themen Landes-/Bündnisverteidigung, Internationales Krisen-/Konfliktmanagement, Ausbildung sowie Beschaffung wurden festgehalten und sollen bei der Weiterentwicklung des GEREON benutzt werden. Damit wurde eine Möglichkeit geschaffen die an der Führungsakademie erlernten Methoden anzuwenden und Grundsätze der Inneren Führung beim Kennenlernen und Ausprobieren von innovativen Ideen zu leben.

„Für mich stelle ich fest, dass nicht immer wir, als Führungskräfte, die innovativen Vordenker sein müssen und zum Teil auch nicht sein können. Vielmehr müssen wir lernen, wie wir Innovation fördern, erkennen und am wichtigsten ein Dienstumfeld schaffen, in denen trotz einer sicherlich notwendigen streng hierarchischen Grundordnung Innovation zugelassen wird.“

– Oberst i.G. Hoffmann, Lehrgangsleiter LGAN 2020 –

Die Führungsakademie der Bundeswehr sendet in diesem Kontext einen wichtigen Impuls hinsichtlich der Rolle von Vorgesetzten als Möglichmacher. Deren Erfahrungswerte, organisatorisches Wissen und Methodenkompetenz kann die Umsetzung von guten Ideen fördern.

Vorgesetzte Möglichmacher sollten daher:

1. Erstbewertungen zur Relevanz vornehmen;

2. Ideen der Anvertrauten partnerschaftlich weiterentwickeln;

3. Kontakte zu relevanten Akteuren innerhalb der Bundeswehr vermitteln;

4. Räume identifizieren/schaffen, in denen Ideen entwickelt werden;

5. Möglichkeiten für Experimente, Förderung und Finanzierung identifizieren; sowie

6. letztlich als Sponsor oder gar Mentor für eine Idee sowie Ideengeber/ Intrapreneure fungieren.

Die Führungsakademie verfügt in der Bundeswehr über ein Alleinstellungsmerkmal: Hier kommen Offiziere und Zivilangestellte aus dem Umfeld des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr mit einem hohen Maß an militärisch relevanter Erfahrung zusammen. Dieses Merkmal macht es möglich, Erfahrung und Innovation zu verbinden. Innovativen Akteuren an den Universitäten, den Bundeswehr-eigenen Innovationselementen und außerhalb der Bundeswehr wird hier die Möglichkeit gegeben auf potenzielle Entscheider von morgen zu treffen.

Dem Erfinder des Systems bot sich die Möglichkeit zum Diskurs mit Stabsoffizieren, zivilen Beamten und Freunden der Führungsakademie.

Dem Erfinder des Systems bot sich die Möglichkeit zum Diskurs mit Stabsoffizieren, zivilen Beamten und Freunden der Führungsakademie. (Quelle: Bundeswehr)

Zukünftig gilt es vorhandene Potenziale und Möglichkeiten weiter auszuschöpfen, damit gute Ideen frühzeitig die nötige Aufmerksamkeit und Chancen bekommen können. Entsprechende Formate in Form von Projekt- und Lehrgangsarbeiten oder Mentoring-Programmen mit den Universitäten der Bundeswehr sind an der Führungsakademie bereits vorhanden.

Josef Kranawetvogl ist Major der Luftwaffe und war bisher im technischen Dienst der Luftwaffe sowie in höheren Kommandobehörden der Bundeswehr eingesetzt. Seinen Master of Science erhielt er für das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik.

Daniel Ulrich ist Oberstleutnant des Feldjägerwesens der Bundeswehr und war zuvor als Kompaniechef im Feldjägerregiment 3 in München eingesetzt. Er hält zwei Masterabschlüsse: einen in Staats- und Sozialwissenschaften und einen weiteren in Internationale Beziehungen.

David Wolf ist Oberstleutnant der Operativen Kommunikation der Bundeswehr und war zuvor als Kompaniechef im Jägerbataillon 291 im französischen Illkirch-Graffenstaden eingesetzt. Er hält einen Master für Bildungs- und Erziehungswissenschaften. Alle drei Offiziere sind seit 2020 Teilnehmer des Lehrgangs Generals-/Admiralsstabsdienst National an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg und absolvieren aktuell den weiterführenden Master-Studiengang Militärische Führung und Internationale Sicherheit der Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr in Hamburg.

Bei den in diesem Artikel vertretenen Ansichten handelt es sich um die der Autoren.

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